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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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tatsächlich die Tür aufging. Im nächsten Augenblick sah er sich einem schwankenden Seibold gegenüber, der sich am Türrahmen festhielt und sich sichtlich bemühte, seinen Besucher zu fokussieren.
    Sprudel fasste sich rasch, hakte Seibold unter und führte ihn zu einer gepolsterten Sitzbank, die in der Diele stand. »Ich rufe einen Arzt.«
    Seibold, der sich auf dem Bänkchen niedergelassen hatte und den Kopf an die Wand lehnte, winkte ab. »Nicht nötig. Ob mit oder ohne Arzt …« Seine Stimme versandete.
    »Nein«, sagte der Arzt zwanzig Minuten später. »Es besteht keine Gefahr und deshalb auch keine Veranlassung, Herrn Seibold ins Krankenhaus einzuweisen. Mit dem Tranquilizer, den er offenbar eingenommen hat, scheint er es zwar etwas zu gut gemeint zu haben, das ist aber auch alles. Er wird sich gründlich ausschlafen müssen. Wenn möglich, sollte man sich ein bisschen um ihn kümmern.«
    Sprudel versprach, dafür Sorge zu tragen, woraufhin sich der Arzt freundlich verabschiedete.
    Nachdem er fort war, brachte Sprudel den halb wachen Seibold ins Schlafzimmer, half ihm ins Bett, setzte sich daneben auf einen Stuhl und holte sein Handy hervor, um die Polizei darüber zu informieren, was geschehen war. Er tippte zwei Ziffern ein, dann löschte er sie wieder. War es nicht gescheiter, Schwester Rosa erst einmal zur Rede zu stellen, bevor er sie bei der Polizei anzeigte? Es zog ihn ohnehin mit aller Macht in die Parkklinik, denn unter Fannis Handynummer vernahm er zum x-ten Mal dieselbe Ansage: »… nicht erreichbar … not available …«
    Hastig machte sich Sprudel auf die Suche nach der Küche, füllte ein Glas mit Wasser, eilte zu Seibold zurück und stellte es auf den Nachttisch. Er vergewisserte sich, dass Seibold fest schlief, und verließ fluchtartig die Wohnung.
    Gegen fünf Uhr traf er bei der Klinik ein. Es war bereits dunkel, selbst das künstliche Licht der Laternen schien von vorüberziehenden Nebelschwaden restlos aufgesogen zu werden. Der steife Wind machte die schon den ganzen Tag herrschende Kälte noch spürbarer.
    In der Pförtnerloge fand offenbar gerade Schichtwechsel statt, was Sprudel sehr zupasskam, denn er wollte als Erstes nach Fanni sehen. Schwester Rosa konnte noch ein wenig warten.
    Gesenkten Hauptes eilte er an den beiden Männern vorbei, die sich gemeinsam über einen Computerausdruck beugten, und lief, ohne zu zögern, die Treppe zu den Patientenzimmern hinauf.
    Im Flur der ersten Etage musste er jedoch stehen bleiben, weil er keine Ahnung hatte, wohin er sich nun wenden sollte. Fanni hatte ihn nie mit nach oben genommen, und bisher hatte es keinen Grund gegeben, sich nach ihrer Zimmernummer zu erkundigen. Im Krankenhaus, ja, da hatte er zusammen mit Leni tagtäglich an Fannis Bett gesessen. Aber hier in der Klinik waren Besucher in den Patientenzimmern nicht erwünscht – Ehegatten selbstverständlich ausgenommen.
    Sprudel gestand sich gerade ein, dass er zur Pförtnerloge zurückkehren musste, als er vom anderen Ende des Flurs jemanden auf sich zukommen sah.
    In der Hoffnung, hinlänglich überzeugend zu wirken, presste er die rechte Hand gegen die Stirn und begann zu murmeln: »Was war es bloß? War es hundert? Nein, hundertzehn oder doch …?« Wie er so planlos einen Schritt hierhin und einen dorthin machte und vor sich hin brummte, kam er sich vor wie King Lear in Shakespeares gleichnamiger Tragödie.
    Sobald sich die Person, die den Flur heruntergekommen war, mit ihm auf gleicher Höhe befand (es handelte sich um eine junge Frau, die, wie er überrascht registrierte, Fannis Ohrringe trug), rief er mit halb unterdrückter Stimme: »Fanni, Fanni, was sagt man dazu? Jetzt hab ich glatt deine Zimmernummer vergessen. War es nun die Hundertzehn oder doch …«
    »Hundertdrei«, sagte die junge Frau in geschäftsmäßigem Ton, ohne stehen zu bleiben.
    Daraufhin wandte sich Sprudel mit einem hörbaren Aufatmen nach links und klopfte an die entsprechende Tür. Weil auf sein Klopfen keine Antwort kam, drehte er am Knauf und drückte gleichzeitig dagegen. Erstaunlicherweise öffnete sie sich.
    Es bedurfte einiger Sekunden, bis er in dem schwach erleuchteten Zimmer mehr als grobe Umrisse erkennen konnte. Dann sah er Alexander in der Louis-quinze-Imitation sitzen.

10
    Als Fanni das nächste Mal erwachte, musste sie dringend pinkeln. Sie öffnete die Augen und stellte fest, dass es im Zimmer dunkler war als zuvor. Sämtliche Lampen waren ausgeschaltet. Auch draußen vor dem

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