Milchfieber
zugerichtet.“
„Vielleicht“, mutmaßte Allmers, „ein Ritualmord der Fleischerzunft: Ich grille dich wie ein Ferkel, oder so ähnlich.“
„Du nimmst mich nicht ernst“, ärgerte sich der Staatsanwalt und sah zu Nina, die der Unterhaltung der Brüder mit offenem Mund folgte. „Endlich mal ein spektakulärer Fall, der auf meinem Schreibtisch landet, und er“, dabei zeigte er auf seinen Bruder, „hat wie üblich nur Spott übrig. Das war ein Ritualmord, und ich werde ihn aufklären! Endlich mal ein spektakulärer Fall, nicht mehr so blöde Bauern, die sich gegenseitig den Schädel einschlagen, oder Nutten, denen nachts die Kehle durchgeschnitten wird. Das ist was richtig Großes. Das ist wie geschaffen für mich, da kann ich Verbindungen nachweisen zu Kreisen, von denen die meisten hier noch nicht einmal wissen, dass sie existieren.“
Allmers nickte spöttisch: „Aber du kennst sie, diese Verbindungen?“
„Ich werde allen beweisen, dass sie mit kleingeistigem Denken hier nicht weiterkommen. Das ist ein Aufsehen erregender Fall.“
„Wie alt war denn die Leiche?“, fragte Allmers.
„Die Leiche? Zwei Tage natürlich.“ Werner Allmers lachte: „Du wärst der richtige Polizist. Wie alt war die Leiche, haha.“
Nina war während des Gesprächs blass geworden, sah zu Allmers, der seine Lippen aufeinander presste und zeigte mit dem Kopf zur Tür. Allmers nickte unmerklich, er wollte seiner Nichte weitere Details des grausamen Mordes ersparen.
„Wir wollen dann auch gehen“, sagte er unvermittelt. „Du hast sicher viel zu tun.“
Werner Allmers lachte immer noch Tränen: „Ja, habe ich wirklich. So wie du!“ Er lachte noch lauter: „So wie du!“
Hans-Georg stand auf und verließ mit Nina wortlos das Büro.
„Ungefähr dreißig war er“, rief der Staatsanwalt vor Lachen brüllend, „bevor er eine Leiche ward!“
Allmers hörte seine durchdringende Stimme noch durch die geschlossene Tür.
Nachdem sie das Gerichtsgebäude verlassen hatten, sah Nina Allmers an und sagte: „Puh! Ist der immer so?“
Allmers nickte: „Er liebt es, andere Leute, und besonders mich, vor anderen lächerlich zu machen. Und wenn dann noch jemand weibliches dabei ist, läuft er zu Hochform auf. Manchmal lässt es mich kalt, manchmal würde ich ihm am liebsten den Hals umdrehen.“
„Da drinnen hat es gestunken, das war ja kaum auszuhalten.“
„Werner“, sagte Allmers „ist immer wieder das Opfer seiner verheerenden Verdauung. Manchmal könnte ich mich zu Tode ärgern, wenn er bei mir war und ich danach zwei Stunden lüften muss.“
Nina sah Allmers mitfühlend an: „Du solltest dich nicht so aufregen. In deinem Alter ist die Gefahr des Herzinfarktes groß. Außerdem hat man doch schon eine gewisse Altersmilde, oder?“
Allmers lachte. Nina hatte eine humorvolle Weltsicht, das gefiel ihm.
„Willst du ein Eis?“, schlug er Nina vor. „Nach diesen grausamen Details?“
„Gerne. Aber es kam mir vor wie im Film, gar nicht real.“
Nina steuerte das erste Eiscafé an, das sie sah. Allmers ging nur widerstrebend mit, in diesem Café hatte er Susanne Hansen, seine mordende Exfreundin, kennen gelernt, aber Nina war schneller. Sie setzte sich an einen der Tische, die vor dem Haus standen und begann sofort, die Eiskarte zu studieren. Allmers setzte sich mit dem Rücken zum Eingang dazu und bestellte Cappuccino und ein paar Kugeln Eis.
„Ist ein großer Eisbecher drin?“, fragte Nina höflich, Allmers nickte. Langsam begann er seine Nichte zu mögen. Ihre souveräne Art, Werners dumme Fragen abzublocken, hatte ihm gut gefallen.
„Mein Gott“, sagte Nina plötzlich, „ist die aufgedonnert.“ Sie hatte eine Frau bemerkt, die ein paar Meter von ihr entfernt ein Schaufenster betrachtete. Sie stieß Allmers unter dem Tisch ans Bein und wies zu ihrer Entdeckung.
Allmers kannte die Frau und er war erstaunt, sie hier zu sehen, was ihn aber richtig verblüffte, war der Mann, der die Frau begleitete. Dieser trat neben sie an das Schaufenster und als er sich sicher fühlte, dass ihn niemand beobachtete, fasste er mit seiner Hand nach der der Frau und drückte sie fest. Sie schien mit dieser Geste der Nähe und Verliebtheit sehr einverstanden zu sein. Nach einer Weile lösten sie sich voneinander und gingen weiter, als ob sie sich nicht kennen würden.
„Hast du die aufgetakelte Schachtel gesehen?“, fragte Nina, als die beiden weg waren.
Allmers nickte: „Ich kenne die Frau. Und den Mann.“
„Und?
Weitere Kostenlose Bücher