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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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sich nicht, ihr zwischen die Beine zu greifen.
    Klausi nahm schließlich die kahlköpfige Puppe unter den Arm und stieg über ihre weggeworfenen Kolleginnen. Seine Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt und so spähte er im Geschäft herum. Er suchte nach ein paar verlassenen Kleidungsstücken, aber alle Suche war vergeblich, selbst die Perücken aus Plastikhaaren waren weg. Das Geschäft war nach dem Ausverkauf von einem Händler leer geräumt worden. Er gab auf und stieß ein paar Mal beim Verlassen des Geschäftes mit seiner unhandlichen Fracht an Ecken und gegen Türrahmen, aber nach kurzer Zeit war er draußen. Sein Atem ging immer schwerer, er schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Der Weg zu seinem Rad war nicht weit. Er legte die Puppe über die Querstange und machte sich auf den Heimweg. Er hatte Glück. Auf der kurzen Strecke bis zum Feldweg begegnete ihm kein Auto und kein Fußgänger, der hätte Verdacht schöpfen können.
    Klaus zog seine Jacke aus, schützte die nackte Plastikfrau vor Kälte und seinen Blicken, setzte sie auf den Sattel und schob das Rad nach Hause. Der Gang durch die stille Nacht erschien ihm zwar endlos, aber er genoss die Stimmung. Es war das erste Mal, dass er mit einer Freundin einen Nachtspaziergang unternahm. Leise erklärte er ihr, wem die Felder rechts und links des Weges gehörten, was da angebaut wurde und tröstete sie, als er das Gefühl hatte, sie sei erschöpft und wünsche sich, so schnell wie möglich ins Bett zu kommen. Mit ihm ins Bett zu kommen.
    Auf dem Hof waren die Fenster dunkel. Klaus lehnte das Rad an die Hauswand, hob seine glatzköpfige Gefährtin vorsichtig vom Rad und schlich sich leise in sein Zimmer. Dort legte er die Puppe aufs Bett und betrachtete sie eine Weile gerührt. Schließlich zog er ihr den alten Schlafanzug an und deckte sie mit seiner Decke zu. Als er sich zu ihr legte, erschien sie ihm so warm und weich wie die Haut von Lissy, die er ab und zu bei unabsichtlichen Berührungen zu spüren bekommen hatte.

Kapitel 13
    Allmers öffnete als erstes das Fenster im Büro seines ­Bruders als er ihn mit Nina besuchte. Die Luft war stickig und abgestanden, Werner Allmers schien es nicht zu stören.
    „Wie lange bist du schon hier?“ fragte er seine Nichte und machte dabei einen desinteressierten Eindruck.
    „Vier Tage“, erwiderte Nina.
    „Und, gefällt es dir?“
    „Ja.“
    „Benimmt sich dein Onkel auch gut?“
    „Jetzt lass mal gut sein“, unterbrach Hans-Georg Allmers seinen Bruder. Er versuchte das unergiebige Gespräch zu beenden, das Nina sichtlich anödete. „Nina ist keine fünf mehr“.
    „Vierzehn, oder?“
    „Fünfzehn“, erwiderte Nina mit schmalen Lippen. Eigentlich hatte sie sich auf den Ausflug nach Stade gefreut, Hans-Georg hatte ihr versprochen, dass sie nach dem Besuch bei Werner in seinem Büro durch die Stadt bummeln würden und sie so viel Geschäft ansehen konnte, wie sie wollte. Dass Werner Allmers so plumpe Fragen stellen würde, hatte sie nicht erwartet, aber der Staatsanwalt schien auch kein Interesse an seiner Nichte zu haben. Er wandte sich an seinen Bruder und fragte:
    „Hast du das mit der Leiche auf dem Autodach gehört?“
    „Ich habe davon gelesen. Wisst ihr schon, wer es war?“
    „Leider nein“, bedauerte Werner Allmers, „der Mann war so verbrannt, dass man noch nicht einmal mehr Fingerabdrücke nehmen konnte. Wir haben einen Gebissabdruck machen lassen und alle Vermisstenanzeigen aus der ganzen Republik angefordert: bisher Fehlanzeige.“
    Nina hörte interessiert zu. Endlich wurde das Gespräch interessant.
    „Ich glaube“, der Staatsanwalt wurde unruhig, „wir sind da einer ganz großen Sache auf der Spur. Das war kein normaler Mord, das war etwas anderes, Großes.“
    „Großes?“, fragte Allmers erstaunt.
    „Ja, ein ganz großes Ding. Das war vielleicht so etwas wie ein Ritualmord.“
    „Ritualmord? Im Kreis Stade?“ Hans-Georg sah seinen Bruder ungläubig an. „Das glaubst du doch selbst nicht.“
    „Doch“, Werner Allmers wurde immer aufgeregter, „Wenn ich es dir sage. Die Drapierung der Leiche auf dem Dach, dazu war sie nackt“, er sah irritiert zu Nina, die ihm an den Lippen hing, „gefesselt an dem, was viele Männer zu ihrem Liebsten zählen: das Auto. Man hat schon von Ritualmorden gehört, bei denen tote Krähen auf der Leiche lagen oder Kreuze in die Brust geritzt wurden. Hier war der Rücken geradezu bratfertig

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