Milchfieber
fuchtelte mit seiner Küvette vor dem Hinterteil der Kuh herum:
„Das Sperma wird geprüft, verdünnt, portionsweise in kleine Küvetten gefüllt und bis zum Gebrauch tiefgefroren. Man muss die Portion auftauen. Manche Kollegen stecken sich die Küvette in den Stiefel oder unter die Jacke. Andere nehmen die Portion in den Mund. Hauptsache warm.“ Er lachte. Nina schwieg.
Der Tierarzt schob mit der einen Hand den Schwanz der Kuh zur Seite, Friedel Köhler kam zu Hilfe und hielt den Schwanz fest. Mit seinen behandschuhten Fingern öffnete Dr. Richter die Scheide der Kuh und führte die Küvette ein.
Nina beobachtete interessiert das weitere Vorgehen des Arztes, der seinen anderen Arm fast bis zum Ende des Handschuhs in den After der Kuh zwängte.
„Durch die Darmwand kann ich den Muttermund erfühlen. Jetzt öffne ich den Muttermund“, erklärte er beflissen. „Wenn die Brunst fast vorbei ist, schließt er sich schnell und die Küvette kommt nicht mehr so ohne weiteres hinein.“
Er hörte auf zu reden, schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Oberflächlich betrachtet schien es, als würde er die Besamung genießen.
„Ein oft eingesetzter Bulle kann es auf zwanzigtausend Nachkommen pro Jahr bringen. Im Natursprung nur auf ein paar hundert.“
Er zog seinen Arm aus dem After und die Küvette aus der Scheide. Ein prüfender Blick auf die Spitze des Instrumentes zeigte ihm, dass sich in der Gebärmutter des Tieres kein Eiter befand. Zufrieden nickte er und wandte sich zum Gehen.
An der Stalltür drehte er sich noch einmal um:
„Du wunderst dich vielleicht, dass ich den Muttermund geöffnet habe?“, fragte er.
Nina tat interessiert: „Mhm…“
„Die Kühe sind eigentlich keine Gebärmutterbesamer, so wie die Hunde zum Beispiel. Dafür ist das erigierte Glied des Bullen zu kurz.“
Der Tierarzt ließ eine Pause folgen, wohl um zu testen, wie seine Worte auf das junge Mädchen wirkten, die ihm alleine mit den beiden anderen Männern zuhören musste.
Allmers wurde unruhig: „Wollen wir weitermachen?“, fragte er zu Friedel Köhler gewandt, der staunend neben dem Tierarzt stand. So viel Zeit hatte sich der Mann noch nie in seinem Stall genommen, um eine Kuh zu besamen.
„Kühe sind Scheidenbesamer!“ Dr. Richter sprach das Wort langsam und bedächtig aus. Er wollte Wirkung erzielen, das war Allmers klar, er wollte Allmers Nichte so in Verlegenheit bringen, dass sie zumindest rot bis an die Ohren werden sollte.
Nina blieb gelassen.
Der Tierarzt setzte nach: „So wie wir Menschen. Wir sind auch Scheidenbesamer.“
Nina drehte sich um und fragte Allmers: „Kann man in der Elbe eigentlich baden?“
Kapitel 16
Horst kannte Peter Gerlach schon aus der Schule, sie waren sich aber meistens aus dem Weg gegangen. Gerlach war ein paar Jahre älter und er beherrschte den Schulhof nach Belieben. Er ärgerte die jüngeren Schüler, wo er konnte. Er liebte es, rennenden Fünft- oder Sechstklässlern das Bein zu stellen, sie von hinten an den Haaren zu ziehen oder sie, betont gelangweilt, so anzustoßen, dass sie unweigerlich in den Dreck fielen.
Horst wusste, dass Gerlach keinen Tag länger als die ausgemachten vier Wochen warten würde, um sein Geld abzuholen. Alex’ Anwesenheit war nicht immer leicht zu ertragen gewesen, trotzdem war er immer noch mit seiner Investition zufrieden. Manchmal, wenn er Lissy von weitem sah und er etwas klarer denken konnte, als dann, wenn sie vor ihm stand und er ihren Körper bewunderte, dachte er, dass sie wirklich ihr Geld wert sei.
Peter Gerlachs Vater hatte nach dem Krieg als junger Knecht auf dem Hof eines reichen Marschbauern Unterschlupf gefunden. Niemand wusste wo er her kam, irgendwo aus Ostpreußen wurde gemunkelt, und dass er seine Eltern auf der Flucht verloren haben sollte. Er selbst erzählte nicht viel, ab und zu ließ er ein paar Bemerkungen fallen über den großen Hof im Osten, der seit vielen Generationen im Besitz der Familie gewesen sein soll. Im Laufe der Jahre wurde der Hof in den Erzählungen immer größer, die Eltern immer reicher und die Flucht immer abenteuerlicher.
Das Ehepaar, das ihn als Knecht auf ihrem Hof anstellte, hatte ihr einziges Kind, einen Sohn, der schon die Ausbildung zum Landwirt hinter sich hatte, im Krieg verloren. Franz Böhm, Peter Gerlachs Vater, wusste das auszunutzen und hatte nach ein paar Jahren die beiden Alten so von sich überzeugt, dass sie ihn als Ersatz für den gefallenen Nachfolger ansahen.
Weitere Kostenlose Bücher