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Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Titel: Milchgeld: Kluftingers erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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lief gerade ein Bericht über psychische Probleme, mit denen Frauen in den Wechseljahren zu kämpfen haben. Priml, dachte er und drehte weiter.
    Der Empfang war schlecht hier draußen und außer den bayerischen bekam er kaum einen Sender störungsfrei. Es lief nichts, was ihm gefiel. Seine Enttäuschung darüber war so groß, dass er sie laut artikulierte: »Drecksradio!«
    Er schaltete ab. Die Stille, die eintrat, kam ihm nun noch intensiver vor als vorher. Er ärgerte sich, dass er das Radio überhaupt eingeschaltet hatte. Er lauschte in die Dämmerung. Es ging kein Wind, es schien, als habe sich auch die Natur auf die Lauer gelegt.
    Kluftinger schaltete das Radio wieder an. Er stellte Mittelwelle ein. Die verschiedensten Sprachen tönten ihm nun entgegen. Er musste lachen, als er offenbar eine Nachrichtensendung hörte, die wie eine Mischung aus Russisch, Chinesisch und den Lauten, die die Zeichentrickfiguren im Fernsehen immer von sich gaben, klang. Er machte sich einen Spaß daraus, immer ein paar Wortfetzen nachzusprechen. Doch niemand außer ihm lachte darüber. Er schaltete das Radio wieder aus.
    Kluftinger blickte auf die Uhr: Es war halb zehn. Die Sonne war verschwunden. Kluftinger fürchtete sich ein wenig vor der nahenden Dunkelheit, denn die würde ihm seine Einsamkeit noch deutlicher vor Augen führen.
    Er hatte Recht.
    Als die Nacht kam und das Licht ging, wurde ihm damit eine weitere Möglichkeit genommen, sich abzulenken. Nicht einmal die Pusteblumen am Straßenrand konnte er jetzt noch zählen. Aber eigentlich wusste er durch mehrmalige Kontrolle sowieso schon, dass es genau 37 waren.
    Er gähnte. Er fühlte, wie die Dunkelheit die Langeweile langsam in Müdigkeit verwandelte.
    Er stieg aus dem Wagen und machte ein paar Kniebeugen. Es musste fast 30 Jahre her sein, dass er das letzte Mal Kniebeugen gemacht hatte. Damals, auf der Polizeischule. Damals hatten seine Gelenke dabei auch noch nicht so gekracht wie heute. Nach der siebten Kniebeuge musste er aufhören. Er stützte sich am Wagendach ab und keuchte in die Nacht. Er musste wirklich etwas für seine Fitness tun. Gleich morgen. Er setzte sich wieder ins Auto.
    »So. Was machen wir jetzt?« Er fand es bei anderen immer gespenstisch, wenn sie mit sich selbst redeten. So als ob sie damit ihren geistigen Verfall für jedermann hörbar artikulierten Aber in dieser Situation schien es ihm die natürlichste Sache der Welt, mit sich selbst zu sprechen.
    Plötzlich erstarrte er. War da nicht ein Geräusch gewesen? Er hielt die Luft an. Tatsächlich. In der Ferne leuchteten die Lichter eines Wagens auf. Kluftinger wurde nervös. »Es geht los«, sagte er zu sich selbst.
    Er griff nach hinten in den Kofferraum um seine Waffe an sich zu nehmen, aber er fand sie nicht. Mit hektischen Bewegungen suchte er den Kofferraum ab, stieß dabei gegen die Trommel und verharrte kurz um sich zu überzeugen, dass der dumpfe Lärm ungehört verhallte, suchte weiter, schob alles, was ihm zwischen die Finger kam und sich nicht nach Waffe anfühlte, vom Sitz. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Er blickte auf das Auto. Es kam näher, es – fuhr vorbei.
    Erleichtert blies Kluftinger den Atem aus. Das war nicht gut. Das war sogar gar nicht gut gewesen. Er hatte sich verhalten wie ein Anfänger. Bei seinen sporadischen Vorträgen vor Polizeischülern oder Praktikanten betonte er jedes Mal, wie wichtig es sei, vorbereitet zu sein. Nur gut, dass ihn jetzt niemand beobachten konnte.
    Das nächste Mal würde ihm das aber nicht passieren. In aller Ruhe suchte er deswegen, mit Unterstützung des glühenden Zigarettenanzünders – ein Einfall, auf den er sehr stolz war – den Wagen ab. Es war eine mühselige Suche, denn das Glimmen bot immer nur für wenige Sekunden ausreichend Licht. Doch er fand seine Waffe und das Handy und legte sie auf den inzwischen schon nicht mehr ganz so nassen Fahrersitz.
    Dann steckte er den Zigarrettenanzünder zurück, ertastete im Dunkeln die Gegenstände, zählte von drei rückwärts und sprang wie von der Tarantel gestochen aus dem Wagen, während er mit der linken Hand beim Aussteigen Pistole und Handy griff. Der Schmerz ließ für kurze Zeit grüne Leuchtkugeln vor seinen Augen in die Finsternis explodieren. Er hatte sich beim Aussteigen seinen Kopf am Türrahmen angeschlagen.
    »Kruzitürk’n, heut geht doch alles schief«, schimpfte er, aber es war mehr ein Flüstern. Er rieb sich die Stelle und tastete mit den Fingern nach Blut. Er war

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