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Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Titel: Milchgeld: Kluftingers erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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er gesehen hatte, nicht herauslesen konnte. Aber jetzt schien es ihm geradezu offensichtlich: Jemand hatte hier etwas gesucht. Im Bücherregal. Und er hatte keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Person um den Mörder handelte.
    Der Kommissar ging auf das Regal zu und blickte zwischen den Büchern auf dem Boden und den lückenhaften Bücherreihen hin und her. Tatsächlich, Wachter hatte die Bücher penibel nach dem Alphabet geordnet. Kluftinger griff sich die Werke, die noch auf dem Boden lagen, und ordnete sie wieder ins Regal ein.
    Nur beiläufig nahm er wahr, dass die Titel und Autoren wesentlich akademischer klangen als in seinem eigenen Wohnzimmer. Als er fertig war, stand er auf und genoss das Triumphgefühl, das sich in seiner Brust breit machte. Es klaffte nur eine Lücke im ganzen Regal.
    Er kniete sich wieder hin und schaute sich die Bücher rechts und links dieser Lücke an. Es waren Fotoalben. Alle hatte die gleiche Farbe, ein dunkles Blau mit Goldapplikationen. Es waren dicke, schwere Alben. Kluftinger nahm eines heraus. Auf den Einband waren mit goldener Farbe zwei Jahreszahlen geschrieben: 1959 bis 1969. Er schlug das Buch auf der letzten Seite auf. Ein großes Foto zeigte ein junges Paar. Der Mann war Wachter, unverkennbar. Entweder er hat schon immer etwas älter ausgesehen oder er hat sich verdammt gut gehalten, dachte Kluftinger. Das Bild hatte einen leichten Rosé-Farbstich, der dem Kommissar von seinen eigenen 60-er-Jahre-Fotos bekannt vorkam. Er schlug das Buch wieder zu und griff sich ein anderes: 1947 bis 1958. Er nahm nun ein Buch nach dem anderen zur Hand und schaute sich die Jahreszahl auf dem Einband an. Es waren fünf Bücher. Die Jahre 70 bis ’86 fehlten. Er packte die fünf Bücher und fuhr ins Präsidium.
     
    ***
     
    »Na, hat dich deine Frau endlich rausgeschmissen?«
    Kluftinger verstand die Frage des Dienst habenden Beamten an der Pforte erst nicht. Dann wurde ihm klar, dass er damit auf den Alben-Stapel anspielte, den Kluftinger mit beiden Händen unter sein Kinn geklemmt hatte. Er bemühte sich um ein Lächeln und erwiderte etwas, was der Polizist hinter der schusssicheren Scheibe allerdings nicht verstand.
    »Was hast du gemeint?«, rief der dem Kommissar noch nach, hörte aber lediglich die dicke Glastür wieder ins Schloss fallen. Kluftinger hatte nun wirklich keinen Nerv für Smalltalk unter Kollegen. Er wartete nicht einmal auf den Aufzug, auf dessen Dienste er sonst nie verzichtete, um in sein Büro im zweiten Stock zu kommen, sondern nahm gleich die Treppe. Er war aufgeregt.
    In seinem Büro angekommen verteilte er die Bücher auf seinem Schreibtisch. Er ordnete sie nach den Jahreszahlen und ließ für die zehn fehlenden Jahre einen Platz frei. Er klappte den ersten Band auf, der mit dem Hinweis 1947 bis 1958 beschriftet war. Er sah Schwarz-Weiß-Aufnahmen von einem Baby, von dem er annahm, dass es Wachter war. Es waren viele Fotos, die die klassischen Stationen erste Schritte, Einschulung, Kommunion und ähnlich einschneidende Erlebnisse im Leben eines Kindes abhandelten. Eigentlich nichts Besonderes. Und doch: Von Kluftinger gab es solche Bilder nicht. Wachters Eltern dürften recht wohlhabend gewesen sein, das zeigten nicht nur die Fotos selbst, sondern auch das, was darauf zu sehen war. Etwa der Mercedes, hinter dessen Steuer der fröhlich lächelnde Knirps saß, der Wachter einmal gewesen war. Kluftinger blätterte langsam durch die Seiten, auch wenn er sich keinen wichtigen Hinweis aus dieser Zeit erhoffte. Eigentlich dachte er überhaupt nicht, dass die Fotos einen wichtigen Hinweis bargen. Der eigentliche Fingerzeig war die Tatsache, dass ein Album fehlte. Es galt nun herauszufinden, was sich während der fehlenden Jahre in Wachters Leben getan hatte.
    Dennoch blätterte Kluftinger weiter. Die Bilder zogen ihn in ihren Bann, denn er hatte das Gefühl, der Person Wachter nun näher zu kommen als in allen Vernehmungen mit dessen Verwandten, Kollegen und Freunden bisher. Er schlug Band 1959 bis 1969 auf. Die Fotos waren inzwischen farbig, einige zeigten Wachter als jungen Mann im Anzug vor einem alten Porsche-Cabriolet. Seine Eltern mussten definitiv wohlhabend gewesen sein, denn wiederum andere Fotos im chronologisch geordneten Album machten deutlich, dass er zur selben Zeit bei der Bundeswehr war. Und soweit sich Kluftinger an seine Zeit beim Bund erinnerte, konnte man mit dem spärlichen Sold nicht gerade große Sprünge machen.
    Was ihm auffiel: Schon

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