Milchgeld: Kluftingers erster Fall
Doktors bekam er deswegen nur Bruchstücke mit: »Höhlengereift« hörte er und »Salzkristalle« und »zweijährige Naturreifung« und Worte wie »exquisit, delikat, meisterhaft«.
»Sie haben doch auch nichts gegen ein gutes Stück Parmesan einzuwenden, nicht wahr, Herr Kluftinger?«, riss Langhammer ihn aus seinen Gedanken.
Er hatte die Frage nicht ganz mitbekommen, nur, dass es noch immer um den Parmesan ging.
»Was? Oh, sicher. Wir haben, glaube ich, noch ein Päckchen im Kühlschrank, wenn Sie was möchten«, antwortete er.
Seine Frau blickte erst ein wenig geschockt, setzte dann aber zu einem gekünstelten Lachen an und sagte: »Aber der ist doch gerieben« und erntete dafür schallendes Gelächter ihrer Gäste.
Kluftinger verstand nicht, aber am Verhalten seiner Frau konnte er ablesen, dass er mal wieder etwas Peinliches gesagt hatte. Es war von Parmesan die Rede gewesen, rekonstruierte er. Ein Käse, der in kleinen Tütchen den Spaghetti-Fertigpackungen beigegeben war, einem der wenigen »exotischen« Gerichte, das er gerne und regelmäßig aß. Er hatte noch nie gehört, dass man ihn auch am Stück essen konnte, doch scheinbar ging es genau darum.
»Ha, ha, ha«, stimmte nun auch Kluftinger lautstark in das Gelächter mit ein, als hätte er absichtlich einen Spaß gemacht.
»Kommen Sie doch mal vorbei, dann kosten wir mal von dem Käse und trinken eine gute Flasche aus meinem Weinkeller dazu«, schlug der Doktor vor.
»Kommen Sie doch zu mir, dann mach ich uns Kässpatzen«, entgegnete Kluftinger trotzig, und erstarrte im gleichen Moment über sein Angebot. Er hatte noch nie Kässpatzen gekocht.
»Wenn Sie mir versprechen, nichts von Ihrem Päckchen-Parmesan reinzustreuen …«
Als sich das erneute Gelächter beruhigt hatte, wurde es wieder still.
»Nach der dritten Stille geht man heim«, sagte seine Frau scherzhaft in der Hoffnung, dass sich seine Gäste an diese alte Weisheit halten würden. Der Kommissar sagte von da an nur noch wenig, um diesen kritischen Punkt möglichst schnell zu erreichen.
Doch es gab an diesem Abend noch viele stille Momente und alle ließen Langhammers verstreichen. Erst spät gingen sie, und als der Doktor ihm beim Gehen auf die Schulter klopfte und sagte »Also, ich melde mich dann mal, dass wir zwei Hübschen was zusammen unternehmen können. Einen richtigen Männerabend sozusagen« war sein Widerstand längst gebrochen und er antwortete mit einem müden »Ich freu mich schon«.
Wie still es wirklich sein konnte in ihrem Haus, merkte er erst, als die Gäste gegangen waren. Seine Frau räumte wortlos den Tisch ab.
»Lass mich das doch machen«, bot er ihr an.
Mit einem emotionslosen »Gut« nahm sie die Offerte an und ging ins Bad.
Kluftinger fand es unpassend, heute noch auf eine Aussprache zu drängen. Während er den Abwasch erledigte, nahm er mit Zufriedenheit wahr, dass seine Frau Bettdecke und Kopfkissen nicht ins Wohnzimmer trug. Es gab also noch Hoffnung.
Als Kluftinger sich schließlich schlafen legte, strich er seiner Frau, die tat, als schliefe sie schon fest, über den Oberarm. Sie seufzte leicht und Kluftinger deutete dies als Zeichen, dass sie mit dem Bauernrüpel an ihrer Seite doch grundsätzlich nicht unzufrieden war.
***
Frau Kluftinger wachte auf und bemerkte Kaffeeduft in der Luft. Sie zog sich ihren Bademantel über und ging ins Wohnzimmer. Es war Sonntag und am Sonntag frühstückte man bei ihnen, anders als an Werktagen, im Wohnzimmer. Dort war bereits der Tisch gedeckt und Kluftinger kam mit der guten Kaffeekanne herein. Dieses kleine Detail war für seine Frau wichtiger als alles, was sie auf dem Frühstückstisch sah. Wichtiger als die frischen Semmeln, die ihr Mann extra im Ort geholt hatte, wichtiger als das Glas Orangensaft an ihrem Platz, wichtiger als das frische Obst, das er auf einem Teller für sie bereitgestellt hatte. Diese gute Kanne wurde nur an wirklich wichtigen Feiertagen verwendet. Weihnachten, Ostern, runde Geburtstage, wenn die ganze Familie samt Verwandtschaft sich bei ihnen einfand.
Kluftinger hatte zwar auch dann nie verstanden, warum die praktische Glaskanne der Kaffeemaschine, die man alle Tage verwendete, nicht genügen sollte, um den Kaffee einzuschenken und hatte seiner Verwunderung jedes Mal Ausdruck verliehen, wenn er seiner Frau erklärte, wie unpraktisch es doch sei, den heißen Kaffee extra umzufüllen, noch dazu in eine kalte Kanne, bei der man obendrein nicht sah, wie viel sie noch enthielt.
Weitere Kostenlose Bücher