Milchgeld: Kluftingers erster Fall
Fund zu sein. Er beendete sein Gespräch und eilte ihm nach.
***
»Fahr du bitte« sagte Kluftinger zu Maier. Sie fuhren aus Memmingen heraus, Richtung A7, auf schnellstem Weg nach Kempten. Im Polizeifunk wurde gerade über die Personenfahndung nach Andreas Lutzenberg im gesamten süddeutschen Raum informiert.
»Österreich und Schweiz! Österreich und Schweiz!«, wiederholte Kluftinger und erst jetzt zuckte Maier zusammen, der sich gerade ganz auf den Verkehr konzentriert hatte. Er hatte mit einem weißen alten Jetta mit Viehanhänger zu kämpfen, der mit seinem schwachen Dieselmotor seine schwere lebendige Last offenbar kaum bewegen konnte.
»Äh, wie? Wie bitte?«
»Österreich und Schweiz. Wir brauchen eine internationale Fahndung, die für Österreich und die Schweiz gilt. Du erledigst das bitte nachher, wir müssen das über Interpol laufen lassen«, erklärte der Kommissar, der in solchen Fällen froh war, dass er Mitarbeiter hatte, an die er solche Arbeiten delegieren konnte.
Er hatte es schon gehasst, solche internationale Ersuchen über Fernschreiber oder Telefon zu besorgen. Seitdem es aber üblich war, diese Anliegen den ausländischen Kollegen per Fax oder gar per E-Mail zu übermitteln, sträubte er sich rigoros, sich selbst darum zu kümmern.
Maier lenkte den Kombi auf die Autobahn, Kluftinger kurbelte das Fenster ein wenig höher und die Bayern-1-Klänge gingen nun fast völlig im Dröhnen des Motors unter. Kluftinger klappte die Sonnenblende herunter, machte das Schiebedach zu, legte den Kopf zurück und schloss die Augen.
Sie hatten eine richtig heiße Spur. Noch vor ein paar Stunden wussten sie nicht, wer der Mann auf dem Friedhof gewesen war und nun, durch einen kleinen Zufall kannten sie seinen Namen und seine Adresse. Wenn die Fahndung Erfolg haben würde, könnte der Fall nun ganz knapp vor der Aufklärung stehen. Das Tatmotiv musste irgendwo in den Akten aus der Wohnung Lutzenbergs zu finden sein. Aber was hatte den Mann, den jungen Beamten, schließlich war er Lehrer, zu dieser schrecklichen Tat bewegt? Die Indizien ließen keinen anderen Schluss zu: Lutzenberg hatte Wachter offenbar mit einer Vorhangsschnur erdrosselt. Den ehemals besten Freund seines Vaters. Wachters Haushälterin hatte ihn auf der Beisetzung des Opfers erkannt und hatte ausgesagt, er sei bei Wachter gewesen. Die beiden hätten sogar gestritten. Worum ging es bei diesem Streit? Welche Beziehung bestand vor dem Mord zwischen dem jungen Lutzenberg und Philip Wachter?
Nur unterbewusst nahm Kluftinger die Fahrtgeräusche noch wahr. Die Wärme im Auto, das sonore Brummen der Maschine, die heiseren Geräusche, die der Wind erzeugte, als er sich an den Seitenscheiben brach, das Radio, das man zwar hörte, dessen Klang aber ein undefinierbares Mischmasch aus Tönen und Worten war, all dies machte ihn schläfrig, beinahe wie eines der bunten psychedelischen Lichtspiele, die ihren Betrachter allmählich in Trance versetzten. Im Halbschlaf schossen Kluftinger Gedankenfetzen durch den Kopf.
Verbindung zwischen Lutzenberg und Wachter – zu tun mit Brüchen in Wachters Leben oder wo ganz anders zu finden – Fahndung – Fahndung muss Ergebnis bringen – das Fotoalbum gefunden – Indizien – Beweise – keine Beweise? – noch nicht, vielleicht, aber zu finden – sicher zu finden – irgendwo – sicher irgendwo – verdammt, wo? – Fahndung – gut so – Interpol – wir finden ihn, er muss ja irgendwo sein – Verbindung über den Vater – der ist tot – über die Töchter? – abwegig – oder doch? – Vater – Bruch Wachters auch mit Lutzenbergs – keinen Kontakt mehr – Verbindung doch über den Vater – beruflicher Einbruch in Wachters Leben – vorher schon blieb Lutzenbergs Erfolg aus – Arbeit als einfacher Käser – Familien passten nicht mehr zusammen – hier suchen, unbedingt hier nachbohren – Käser in Böserscheidegg und Lebensmittelchemiker – gute Qualitätsprodukte – Parmesan – Parmesan am Stück probieren – vielleicht für Kässpatzen – Kässpatzen mit Parmesan – Langhammer …
Kluftinger schreckte auf. Langhammer. Verdammt, er musste in den nächsten Tagen mit Dr. Langhammer Kässpatzen essen. Er war verblüfft, dass ihn dies scheinbar fast bis in den Schlaf verfolgte. Ausgerechnet jetzt fiel ihm dieser Fatzke ein, obwohl es doch im Fall so überraschend voran ging.
Plötzlich wurde Kluftinger durch ein heftiges Bremsmanöver aus den Sitz gehoben. Die Aktion wurde von
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