Milchgeld: Kluftingers erster Fall
geschätztes Auto, das sich heute als die leibhaftige Hölle gezeigt hatte, verlassen.
Maier stellte den Motor ab, zuvor hatte Kluftinger, kaum dass der Wagen zum Stehen gekommen war, die Türe aufgerissen, um an die frische Luft zu gelangen.
»Sag mal! Bist du blass! Geht es dir nicht gut?«, fragte Maier den Kommissar, der noch immer geschwächt am Zaun lehnte, der hinter den Parkplätzen verlief.
»Nein, nein, nur ein bisschen warm heute. Und ich muss mal was essen und was trinken, aber sonst geht’s mir gut«, entgegne Kluftinger, den die frische Luft allmählich wieder kurierte.
***
»Wir haben heute noch viel vor, Frau Henske, jetzt geht es voran«, sagte Kluftinger mit wiedergewonnenem Elan, als er das Büro betrat. Maier war bereits weitergegangen, ohne die anderen Anwesenden großartig wahrzunehmen. Er wollte gleich die Sache mit Interpol über die Bühne bringen. Nun stand Kluftinger vor Sandy, die nicht wusste, warum die beiden Beamten auf einmal von solcher Geschäftigkeit getrieben wurden.
»Nu, wass is denn los, Herr Kluftinger, das uns so viel Arbeit verschaffen wird?« fragte sie beinahe ungläubig, dass es im aktuellen Fall nun endlich vorangehen sollte. Als Kluftinger sie aber knapp über die aktuelle Lage aufgeklärt hatte und sie bat, alle Mitarbeiter über eine Dienstbesprechung um 16 Uhr, also in einer knappen Stunde, zu informieren, und ihm eine Verbindung mit Julia Wagner zu machen, war ihr klar, dass der Kommissar es ernst gemeint hatte.
Und sie freute sich darüber. Sie liebte es, wenn Betriebsamkeit in die Dienststelle kam, das war das, was sie sich insgeheim von ihrem Beruf erwartete, wovon sie träumte, auch wenn sie »nur« die Verwaltungsangestellte und nicht eine ermittelnde Beamtin war. Und es war das, was sich ihre Bekannten, so hoffte sie zumindest manchmal, unter ihrem Beruf vorstellten. Nun war es wieder so weit, es gab Konferenzen, es gab Pressetermine, es gab Hektik und man hatte – so drückte es Sandy manchmal aus – das Gefühl, ganz nah an einem sehr »wischt’schen Geschehen dron« zu sein.
Im Konferenzraum hatten sich bereits fast alle Kollegen eingefunden, da sie darauf brannten, die Neuigkeiten vom Chef in allen Einzelheiten zu erfahren. Kluftinger erhielt von Sandy noch die Nachricht, dass Wachters ältere Tochter in München gerade nicht zu erreichen sei, sie werde es aber nach der Konferenz weiter versuchen, sie zu kontaktieren. Punkt 16 Uhr kam Kluftinger in den Raum, gefolgt von Maier, der es trotz der Kürze der Zeit geschafft hatte, für das »internationale Fahndungsabkommen nach dem dringend des Mordes verdächtigen Andreas Lutzenberg, wohnhaft in Memmingen«, alles Nötige in die Wege zu leiten.
Frau Henske setzte sich neben ihren Chef und machte sich bereit, an ihrem Notebook das Protokoll der laufenden Dienstbesprechung zu führen.
Kluftinger begrüßte die anwesenden Kolleginnen und Kollegen kurz und begann sofort mit der Darlegung der aktuellen Ereignisse. Andreas Lutzenberg sei eindeutig als der junge Mann identifiziert worden, der auf der Beerdigung des Opfers geflohen war. Er wurde vor dem Mord bei einem Streit mit Phillip Wachter in dessen Haus beobachtet, zudem fand sich in Lutzenbergs Wohnung eines der fehlenden Fotoalben Wachters. Er sei daher des Mordes an Wachter dringend verdächtig.
Ein Raunen ging durch die Reihen der Kollegen.
Nun verteilte der Kommissar, der dies alles mit einer professionellen Konzentration vorgetragen hatte, die seine Frau sicher sehr mit Stolz erfüllt hätte, die Aufträge für das weitere Vorgehen an diesem Tag. Zwei der Kollegen sollten sich im Umfeld Lutzenbergs umhören und möglichst viele Informationen über seine Lebensweise in Erfahrung bringen. Zudem sollten sie sich in seiner Schule erkundigen.
Die Wohnung, so Kluftinger, werde nunmehr rund um die Uhr von den Memminger Kollegen überwacht.
»Hoff’mer, dass die des gscheit machen« entfuhr es dem Kommissar und die Anwesenden waren beinahe froh, wieder die bekannte, humorvoll-menschliche Seite Kluftingers zu erleben, die hochgestochen-professionelle hatte ihnen bereits etwas Angst gemacht. Jetzt war er wieder ganz der Alte und das Tempo der Konferenz verringerte sich.
»Unsere Stubenhocker kümmern sich bitte um die Unterlagen aus Lutzenbergs Wohnung, die müssten bald aus Memmingen zu uns gebracht werden, außer wenn sie im Nebel stecken bleiben. Die Kollegen Maier, Strobl und Hefele werden euch nachher dabei unterstützen und wenn nötig
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