Milchgeld: Kluftingers erster Fall
musste es also tatsächlich wagen: »Well, em … The room of Mrs. Kluftinger, please …. Was? … Kluftinger! … Ja, Kluftinger halt. Erika …. Klafftindscher. Errika Klafftindscher. Kei, ell, ju, eff, tee, … Yes, Kluftinger and Langhammer …. Thank you very much, good night.«
Kluftinger hatte es geschafft, er hörte das Freizeichen, man hatte ihn also zu Erikas Zimmer durchgestellt.
»Hallo?«
»Endlich hab’ ich dich an der Strippe! Von wegen, die sprechen sicher deutsch an der Rezeption! Mein Gott, Schatz, mir ist so öd’!«
»Abend, Herr Kluftinger. Moment. Ich gebe ihnen die Erika Einen kleinen Moment, gell!«
Kluftinger war wie versteinert. Hatte er Frau Dr. Langhammer gerade Schatz genannt? Es kostete ihn ja schon genug Überwindung, seine Frau so zu nennen, aber sie liebte solche Kosenamen nun einmal. Noch einmal fuhr ihm der Schreck in die Glieder: Das würde die Langhammer doch bestimmt brühwarm ihrem Mann weiter erzählen.
Seine Frau unterbrach mit ihrer Begrüßung seine gedanklichen Horrorszenarien. »Ja griaß di, wie geht’s dir denn? Kommst du zurecht daheim?«
»Keine Sorge, Erika, die Küche steht noch. Aber mit dem Fall, ich sag’s dir. Wir wissen jetzt endlich, wer das auf der Beerdigung war.«
»Ihr habt den Mörder schon gefunden?«
»Nein, einen Verdächtigen haben wir. Es geht zu im Geschäft, Wahnsinn!«, sagte Kluftinger. Wie immer hatte er statt Büro Geschäft gesagt. Jeder im Allgäu ging zur Arbeit ins Geschäft, ganz egal, was sein Beruf war.
»Und wer ist es jetzt?«
»Jetzt stell dir vor: Es ist der Sohn vom Freund vom Dings.«
»Welcher Dings?«
»Ja, der Dings, der … na, der Wachter halt.«
»Hoi! Ja so was. Mei, grad wenn ich nicht da bin hast du’s so streng! Ich denk’ an dich, Butzele!«
»Ist die Langhammer im Zimmer? Hört die mit?«, fragte der Kommissar eilends.
»Ja, tut mir leid.« Mehr konnte Erika in diesem Augenblick nicht sagen, ohne die Situation weiter zu verschlimmern. Sie hatte ganz selbstverständlich den Kosenamen verwendet, der eigentlich nur für eine Unterhaltung unter vier Augen bestimmt war.
»Danke. Grad vor der. Schönen Dank. Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du dieses Butzele lassen sollst, und jetzt vor Leuten! Ich bin ein Mann in den Fünfzigern. Das erzählt die doch brühwarm ihrem Doktor! Wie steh ich jetzt denn da?«
»Es tut mir lei-heid«, flüsterte seine Frau, die aber dann geflissentlich über die Situation hinwegging und wieder zur normalen Lautstärke zurückkehrte. Nach einigen Details, die Kluftinger ihr noch erzählte, und bei denen sie einige Dinge wie »Pressekonferenz«, »LKA«, »im Fernsehen?« besonders deutlich wiederholte, um angerichteten Schaden wieder gut zu machen, wartete seine Frau auf das Stichwort, um nun auch ihre Neuigkeiten zu erzählen.
»Und bei euch?«, fragte Kluftinger und Erika konnte anfangen.
»Mei, du, das ist ja so fantastisch hier. So edel. Das Hotel ist echt Spitzenklasse. Und du, in der Früh geht es gleich los mit den Wellnessangeboten. Ganz toll.«
»Aha«, war alles was Kluftinger seiner Frau entgegnete, die sich seiner Ansicht nach gerade anhörte wie ein sprechender Reiseprospekt.
»Und lauter nette Leute. Das Essen – ein Gedicht. Alles immer frisch und ganz viele Salate und Früchte. Zum Frühstück zum Beispiel gibt’s einen frisch gepressten Fruchtcocktail. Stell dir vor, hier im Hotelgarten wachsen sogar Orangen. Ganz gepflegt ist das. Und heute haben wir schon einen Ausflug ins Hinterland gemacht. Eine Ölmühle haben wir da angeschaut, da bewegen noch Pferde den Mühlstein. Du wirst sehen, ich habe eine Flasche Öl eingekauft. Ganz toll. Und alles naturbelassen.«
Erika Kluftinger schien nicht mehr zu stoppen. In höchsten Tönen lobte sie ihren Urlaub, allerdings hätte Kluftinger kaum wiederholen können, was sie ihm alles erzählt hatte. Das meiste rauschte einfach an ihm vorbei. Ab und zu streute er ein »ah so«, »aha«, »hm« oder »mmh« ein – redundante nonverbale Äußerungen zur Aufrechterhaltung der Kommunikation – wie Kluftingers Sohn dies einmal genannt hatte.
»Und die Langhammerin? Hältst du es mit der aus? Nervt sie recht, oder?«
»Ja, ganz toll verstehen wir uns, was für eine Frage, Schatz! Wir haben auch wirklich schon nette Leute kennen gelernt.«
Kluftinger sah den Zeitpunkt gekommen, das Gespräch zu beenden. Das war ja schon beinahe nicht mehr seine Erika, die da redete. Von wegen »Fruchtcoktail« und »ganz
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