Milchgeld: Kluftingers erster Fall
herumgedruckst, was aber auch daran gelegen haben konnte, dass sie nach Kluftingers Meinung nicht ansatzweise verstand, was hier eigentlich vor sich ging. Schließlich hatte sie gesagt, dass sie das Versprechen, das sie Andreas gegeben hatte, nicht zu sagen, dass er hier war, sicher ausnahmsweise brechen konnte, wenn er doch in Gefahr sei, der Andi. Daraufhin hatte sie von der kleinen Hütte in Hinterschweinhöf, oberhalb von Weiler, an der österreichischen Grenze erzählt, die ihre Familie schon seit Generationen nutze, wenn auch inzwischen nur noch als Ferienhaus.
Ein heftiges Rumpeln schreckte ihn aus seinen Gedanken. Er blickte Strobl an, der seinen Chef verlegen angrinste. »Ich fürchte … wir stecken fest«, sagte er zögernd und trat zur Bestätigung aufs Gas, was den Motor aufheulen und die Räder durchdrehen ließ. Der heftige Regen hatte den Boden aufgeweicht und in dieser schlammigen Brühe waren sie nun stecken geblieben. Kluftinger besah sich die Umgebung: Sie waren auf einem Waldweg gelandet, rings um sie standen riesige Tannen, nur ein schmaler Weg verlief zwischen den Bäumen. Er sah nach oben – es schüttete immer noch wie aus Kübeln. Jedes Mal, dachte er.
»Auch das noch«, schnaubte der Kommissar. »Na gut, dann müssen wir eben laufen. Kann nicht mehr weit sein.«
Strobl stieg ohne Protest mit seinem Chef aus dem Wagen, denn irgendwie fühlte er sich für die missliche Lage, in der sie steckten, verantwortlich. Kluftinger trug nur einen Janker über dem lindgrünen Hemd, Strobl hatte sich immerhin einen leichten Sommermantel angezogen, dessen Kragen er nun hochschlug.
Sie staksten ungelenk durch den knöcheltiefen Schlamm, denn ihr Schuhwerk war nicht auf diese Wetterverhältnisse eingestellt. Doch schon nach wenigen Metern normalisierte sich ihr Gang, weil sich ihre Socken bereits anfühlten, als wären sie frisch aus der Waschmaschine. Auch wenn sie nicht so aussahen. Man ist entweder nass oder trocken, erinnerte sich Kluftinger an den Satz seiner Mutter, die ihm damit heute noch zum Regenschirm riet, wenn sich nur die kleinste Wolke am Himmel zeigte.
»Kruzifix, so ein Dreck«, schimpfte er, als sein linker Halbschuh in einem Schlammloch mit einem Schmatzen untertauchte. Als er seinen Fuß wieder herauszog, blieb sein Schuh im Schlamm stecken. Kluftinger balancierte auf einem Bein um nicht mit seinem weißen Socken in die braune Brühe zu treten. Dadurch fiel es ihm schwer, das Gleichgewicht zu halten. Dazu peitschte ihm noch der Regen ins Gesicht.
Kluftinger merkte, wie sich sein Körper langsam nach links neigte. Er ruderte mit den Armen, immer schneller. Doch es half nichts. Langsam sackte er nach links und dann nach hinten. Noch während er fiel, stieß er einen Fluch aus, und schloss dann einfach die Augen.
»Hab dich«, rief Strobl hinter ihm. Gerade noch rechtzeitig war er seinem Chef zu Hilfe gekommen. Kluftinger grinste ihn dankbar über die Schulter an. »Das wär’ beinahe schief gegangen.«
Strobl half dem Kommissar, sich wieder aufzurichten, was nicht ganz einfach war, schließlich fehlte ihm ein Schuh. Als Kluftinger zumindest sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, wollte sich Strobl bereits weiter auf den Weg machen, doch sein Chef rief ihn zurück.
»Was gibt’s denn noch?«, fragte Strobl.
»Mein Schuh«, antwortete Kluftinger. »Ich find’ meinen Schuh nicht mehr. Das darf doch nicht wahr sein. Mein Schuh! Mein Schuh!« Er wiederholte die beiden Wörter so oft, dass es für Strobl schon hysterisch klang. Also half er ihm suchen.
»Da ist er doch«, sagte Strobl und deutete auf die Stelle, in der Kluftinger gerade stecken geblieben war. Obwohl das Wetter die Temperatur rapide hatte sinken lassen, wurde es Kluftinger auf einmal heiß. Sein Gesicht verfärbte sich tiefrot, die Äderchen auf seiner Nase glühten: Der Schuh war unter dem großen braunen Dreckklumpen, den Strobl aus dem Schlamm zog, nur noch zu erahnen. Priml. Kluftinger kochte. Er versuchte, den Matsch wenigstens soweit wieder herauszubekommen, dass er den Schuh wieder anziehen konnte – vergeblich.
»Weiter!«, blaffte er Strobl an und setzte sich, den Schuh in der Linken, widerwillig schnaubend in Bewegung. Mit finsterern Blick, den Unterkiefer etwas nach vorne geschoben, stapfte er den schlammigen Werg entlang – mit nur einem Schuh.
Strobl hielt sich ein paar Schritte hinter ihm. Er wollte nicht, dass sein Chef das Grinsen auf seinem Gesicht sah.
»Das muss sie sein«, rief
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