Milchgeld: Kluftingers erster Fall
alleine bin.«
Strobl nickte. Er streckte seinen Kopf nach draußen, blickte nach links und rechts und stapfte in den Regen. Plötzlich fiel Kluftinger etwas Wichtiges ein. Er lief ebenfalls nach draußen, humpelte ein paar Meter durch den Matsch und rief seinem Kollegen hinterher: »Und sag, dass sie ein paar Schuhe mitbringen sollen. Und Socken auch.«
Er wollte gerade kehrt machen, da sah er es. Es war ihnen vorher nicht aufgefallen. Das diffuse Licht und der Regen hatten wohl verhindert, dass sie es gleich beim ersten Mal entdeckt hatten.
Vor ihm im Matsch lag ein menschlicher Körper.
»Eugen … Eugen bleib da.« Der Kommissar wollte seinen Kollegen zurückrufen, doch es kam nur ein heiseres Krächzen aus seiner Kehle. Er räusperte sich. »Eugen!« Strobl hatte den Wald schon fast wieder erreicht, als er die Stimme seines Chefs hörte. Er drehte sich um und ihm war gleich klar, dass es ernst war. Kluftinger sah ihn nicht an, er starrte nur auf den Boden vor ihm. Strobl wischte sich die Tropfen vom durchnässten Gesicht. Er konnte nicht erkennen, was es war, worauf sein Chef so gebannt starrte. Doch dass aus seinem vor kurzem noch so roten Gesicht jegliche Farbe gewichen war, das konnte er sehen. Als Kluftinger sich abwandte, seine Hände auf die Knie stützte und sich nach vorne beugte, als müsste er sich jeden Augenblick übergeben, begann Strobl zu laufen.
»Was …?« Strobl wollte eigentlich fragen, was Kluftinger denn auf einmal habe, aber er brach schon nach dem ersten Wort ab. Er sah es selbst und bei dem Anblick stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Ein Mensch lag in der vom Regen völlig aufgeweichten Erde. Sie hatten ihn nicht gesehen, als sie auf das Haus zugelaufen waren, obwohl sie nur wenige Meter an ihm vorbeigekommen sein mussten. Aber es war nicht ihre Nachlässigkeit gewesen, die den Körper zunächst vor ihnen verborgen hatte: Der Mann – Strobl ging aufgrund der Kleidung und der Statur davon aus, dass es ein Mann war, und es beschlich ihn eine dunkle Ahnung, wer es war – war so mit Morast besudelt, dass er sich optisch kaum von seiner Umgebung abhob. Doch das war nicht das Schlimmste. Strobl musste sich ein paar Sekunden lang konzentrieren, ehe er erkannte, dass er mit dem Kopf nach unten im Schlamm lag. Er hatte es nicht gleich erkannt, denn der Schädel des Mannes war völlig zertrümmert.
»Mein Gott …«, fand Strobl als erster wieder die Sprache. »Mein Gott … So was hab’ ich noch nie gesehen.« Er ging in weitem Bogen um die Leiche herum auf Kluftinger zu.
»Alles klar?«, fragte er leise und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Kluftinger richtete sich wieder auf und nickte.
»Dir ist schon klar, wer das ist?«, fragte der Kommissar und deutete bei dem Wort »das« mit dem Kopf auf die Stelle hinter ihm.
»Na ja, wissen kann man das nicht, so wie der aussieht. Aber es wäre zumindest wahrscheinlich wenn es …«
»… Lutzenberg wäre«, vollendete Kluftinger Strobls Satz. Und fügte mit einem bitteren Lächeln hinzu: »Unser Mörder.«
***
Es dauerte keine Stunde, da war die kleine Lichtung von zwei Dutzend Polizisten bevölkert. Einige fluchten, denn der Regen hatte nur unwesentlich nachgelassen und den Boden noch weiter aufgeweicht. Inzwischen kamen auch die ersten Polizeiwagen und ein Krankenwagen angefahren. Während die meisten Kollegen ab der Stelle, an der Strobls Wagen den Weg blockierte, zu Fuß gegangen waren, waren einige zurückgeblieben, um das Hindernis zu beseitigen. Offenbar waren sie erfolgreich gewesen.
Kluftinger war mit Strobl und Maier sowie zwei Beamten der Spurensicherung in der Hütte. Er saß am Tisch und trocknete sich mit einem Handtuch den Fuß. Seinen Socken, dem seine einstmals weiße Farbe nicht mehr anzusehen war, hatte er auf den Tisch gelegt, was die Kollegen der Spurensicherung mit einem missbilligenden Blick zur Kenntnis genommen hatten.
»Wagenspuren?«, fragte Kluftinger einen von ihnen.
»Keine Chance. Bei dem Wetter. Das wäre gerade so, als würde man eine Sandburg in einem Sandsturm suchen.«
Kluftinger fand den Vergleich zwar reichlich bemüht, ihm war aber klar, was damit gemeint war.
Ein Beamter in Uniform streckte seinen Kopf zur Tür herein. »Es scheint sich bei dem Toten um einen gewissen Andreas Lutzenberg zu handeln«, verkündete er und hielt den Kripobeamten einen Geldbeutel entgegen. Maier nahm ihn und reichte ihn an Kluftinger weiter. Der sah ihn sich lange an und zischte dann:
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