Milchgeld: Kluftingers erster Fall
Kollegen bemerkten es.
»Moch’n Sie’s so«, beendete Lodenbacher schließlich die Konferenz. Kluftinger verließ mit ihm den Raum und er spürte dabei die respektvollen Blicke seiner Kollegen.
Draußen im Gang nahm Lodenbacher ihn noch kurz zur Seite. »Kennen’s no die Presse verarzten?«, fragte er. »Sogn’s denen holt nix über Lutzenbergs und Wachters Feindschaft. Und als Todesursache reicht erschlagen, moan ich, wie genau muss net mit rein.«
Er wollte schon nicken, da schob Lodenbacher noch nach »Wos moanan Sie?«
Kluftinger hob die Augenbrauen. Lodenbacher hatte ihn noch nie nach seiner Meinung gefragt. Er wusste nicht, ob es vielleicht am Anzug lag.
»Ich denke, das kriege ich schon hin«, antwortete er schließlich.
»Jo, sie mochen des schon«, sagte Lodenbacher und er klang nun viel zuversichtlicher als noch vor wenigen Minuten. Zum Abschied klopfte er seinem Kommissar noch auf die Schulter und verschwand dann um die Ecke. Kluftinger sah ihm ein paar Sekunden nach, bevor auch er ging.
***
Auf dem Weg zu seinen Eltern hatte Kluftinger die Scheibe herunter gekurbelt. Es war spät geworden, fast neun, und der Regen hatte inzwischen aufgehört. Es roch nach nassem Asphalt und frischem Gras.
Und irgendwo zwischen Krugzeil und Altusried fiel ihm auf, wie schön es heute war, auch wenn immer noch große, dunkelgraue Regenwolken am Himmel hingen. Es wirkte alles so ruhig, so friedlich. Jedenfalls solange, bis sich die Tür zum Haus seiner Eltern öffnete:
»Mei, jetzt kommst du, wo ich gerade das Rohr ausgemacht und die Spatzen in den Kühlschrank gestellt habe. Ich hab nämlich Kässpatzen für dich gemacht«, empfing ihn seine Mutter gleich mit dem gewohnten Redeschwall. »Mit zwei Eiern extra. Die aufgewärmten gestern waren doch bestimmt nicht gut. Allerdings hat der Vatter jetzt die ganzen Zwiebeln aufgegessen, weil er die doch so gern mag. Aber Salat ist noch da und die Spatzen wärme ich dir halt schnell auf.«
Dann ging sie auf das ein, was ihr sofort an ihrem Filius aufgefallen war, als sie ihn erblickt hatte:
»Hoi, was hast denn du heut’ an? War was Offizielles bei euch?«
Kluftinger sah an sich herunter und fühlte sich sehr unwohl dabei, dass er immer noch den dunklen Anzug tragen musste:
»Nein, offiziell kann man nicht sagen. Mein anderes G’wand ist bei einem Einsatz während des Gewitters ganz nass geworden und obendrein völlig verschlammt. Da habe ich mich schnell umziehen müssen.«
»Nicht, dass du dich erkältet hast. Du hast ja gar keine Socken an. Ja und die dreckigen Sachen, soll ich dir die nicht waschen? Die brauchst du doch wieder«, bot seine Mutter an.
»Nein, lass sein. Die Erika hat mir doch erklärt, wie man wäscht. Ich mach das dann schon.«
»Du? Nein Bub, das wird nichts. Und am Ende machst du es dann doch nicht und lässt die Kleider in einer alten Tüte im Auto vergammeln und dann haben sie lauter Stockflecken.«
Kluftinger fühlte sich wieder wie früher, als er noch bei den Eltern gewohnt hatte und seine Mutter es sich nicht hatte nehmen lassen, das Leben ihres Sohnes zu regeln. Beinahe wäre er laut geworden und hätte gesagt, dass er das sehr wohl selbst im Griff habe. Er entschloss sich aber für die abgeschwächte Variante:
»Mutter … ich mach das schon. Lass gut sein. Ja?«
»Bitte, ich wollte dir nur helfen. Wie du meinst. Jetzt komm aber rein, ich hol dir ein paar Wollsocken vom Vatter, es ist zwar Sommer, aber ohne Socken rumlaufen ist nichts.«
Gegen die Socken hatte er nichts einzuwenden.
Mittlerweile hatte Maria Kluftinger eine weitere Ration Zwiebeln geschält und schmurgelte sie gerade in der Pfanne, während der »Bub« an seinem seit jeher angestammten Platz auf der kurzen Seite der Eckbank vor dem Fenster saß und den mittlerweile etwas laschen Salat verspeiste. Auf die Kässpatzen hatte er überraschend wenig Appetit. Zum einen konnte er die Bilder des heutigen Tages nicht aus seinem Gedächtnis verbannen, zum anderen gab es eine massive Häufung von Kässpatzen in seinem derzeitigen Leben. Trotzdem tat er so, als freue er sich darauf, schließlich hatte seine Mutter ihm wohlweislich sein Leibgericht gekocht, auch auf die Gefahr hin, dass ihr Gatte daraufhin wieder gesundheitliche Probleme bekam: Gastritis durch das Fett, zu viel Cholesterin und nicht zuletzt Blähungen von den vielen Zwiebeln. Sie wäre enttäuscht gewesen, hätt ihr Sohn keine Spatzen essen wollen.
»Jetzt erzähl«, sagte sein Vater, als er die
Weitere Kostenlose Bücher