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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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sie hielte angeblich eine noch tollere Überraschung für ihn bereit als am letzten Wochenende.
   Gemach!, befahl er sich, als er schon automatisch zum Hörer greifen wollte. Feierabend! Wochenende - Zeit zum Ausruhen! Er stellte eine Tasse unter den Auslaufstutzen seiner Espressomaschine und erweckte das Gerät mit einem Knopfdruck zum Leben. Es dauerte einige Sekunden, bis der braune Strahl starken Moccas sich in seine Tasse ergoss. Er liebte dieses himmlische Aroma frisch gebrühten Kaffees und rührte gedankenverloren ein Stück braunen Würfelzuckers hinein.
   Mit der Tasse in der Hand ließ er sich in einen Sessel fallen und legte die Füße hoch. Mit geschlossenen Augen nippte er am Mocca und versuchte, Ruhe in sein aufgewirbeltes Gehirn zu bringen. Sylvia immer mit ihren Überraschungen! Mal war es ja ganz lustig, aber wenn er darüber nachdachte, so hatte sie ihn an den letzten drei zurückliegenden Wochenenden von einem Abenteuer ins nächste gestürzt.
   Erst die Liebesnacht im Panino, dann das Wochenende darauf der Kurztrip nach London. Letzte Woche hatte sie ihn an Bord einer Luxusfähre geschleppt, die die Route Kiel-Oslo-Kiel bediente. Sie hatten zwei Nächte an Bord verbracht, das tropische Wellness-Paradies mit künstlichem Regen und Vogelgezwitscher genossen und die vielfältigen Unterhaltungsshows an Bord angesehen. Sie hatten jede Menge Spaß gehabt, zweifellos. Nun hatte sie wieder etwas geplant, und er war sich nicht sicher, ob er Lust auf weitere Reiseabenteuer hatte. Er würde Sylvia etwas ausbremsen müssen, sie trieb es zu weit. Das war typisch für sie - diese Faszination für Action, Abenteuer, und ständige Abwechslung. Dagegen kam er sich geradezu wie ein Langweiler vor.
   Er griff zum Telefon, auf alles gefasst. Bei ihr Zuhause nahm niemand ab, hätte er sich denken können, also versuchte er es auf ihrem Handy, das klappte immer. Sie war auch sofort dran, und zu seiner wirklichen Überraschung plante sie diesmal keine weitere Kurzreise, sondern wollte mit ihm ein ruhiges und romantisches Wochenende verbringen, wie sie es ausdrückte.
   Sie stelle es sich so vor: Für heute hätte sie um 20 Uhr einen Tisch in einem schönen Lokal bestellt, sie würde ihn abholen kommen. Den Namen des Lokals verriet sie ihm nicht. Überraschung!, wie sie kichernd hinzufügte. Für morgen Vormittag sei dann ein klitzekleiner Einkaufsbummel geplant. Er bräuchte keine Angst zu haben, es seien nur maximal drei Läden, bei denen sie seinen Rat bräuchte. Ansonsten wollten sie beide das Wochenende einfach nur abchillen. »Zieh dich ein wenig fein an, Liebling. Der Tisch an dem wir heute essen, hat eine Tischdecke, und die Ober tragen Fliege. Bis nachher, ich klingele drei Mal, dann kommst du runter!«
   Aha, also ein ruhiges Wochenende sollte es werden. Er war nur halb beruhigt, denn sie klang so aufgedreht wie ein Backfisch vorm ersten Date. Das passte nicht zu einem unaufgeregten Wochenende. Er kannte sie und wusste plötzlich, dass sie etwas im Schilde führte. Aber was? Unruhig begann er im Wohnzimmer hin und her zu laufen. Was hatte sie vor? Seine innere Stimme, die ihn bisher immer zuverlässig vor Gefahren gewarnt hatte, ließ sich überdeutlich vernehmen. Alles Umwandern half nicht, er kam nicht drauf. Egal, er würde sich jedenfalls in keine Situation manövrieren lassen, aus der er nicht wieder heraus käme. Wäre ja gelacht, über was sollte er sich Sorgen machen?

Als es dreimal stürmisch klingelte, zog er seinen dunklen Mantel an, überprüfte sein Aussehen noch einmal im Flurspiegel. Okay, es konnte losgehen! Das Taxi hielt mit eingeschaltetem Warnblinker in zweiter Reihe vor seiner Tür. Das war also schon die erste Überraschung, hatte er doch geglaubt, sie würde ihn mit ihrem Wagen abholen kommen. Er stieg ein. Sie trug ein graues Kostüm mit kurzem Rock und weißer Bluse an. Sehr klassisch, ganz untypisch!, dachte er noch. Sie nickte ihm lächelnd zu und spitzte ihren dunkelroten Mund. Er küsste sie kurz und ließ sich ihr Kompliment gern gefallen. »Ein ganzer Gentleman, wow, wie schön in Begleitung eines solchen Mannsbildes zu sein!«
   »Sylvia, ich bitte dich, trag doch nicht immer so dick auf!«, wehrte er lachend ab.
   »Wieso? Ich finde, du siehst wirklich toll aus! Das darf man doch wohl noch sagen, pah!« Die nicht mehr ganz junge Taxifahrerin grinste in den Rückspiegel, startete und preschte los. Die Fahrt dauerte nicht lange und endete in der

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