Milchmond (German Edition)
Elbchaussee vor dem Gourmetrestaurant Landhaus Scherrer.
»Donnerwetter! Du lässt es aber krachen, also, ich muss schon sagen!«
»Besondere Anlässe verlangen besondere Lokalitäten!«
Da war sie wieder! Seine innere Alarmglocke schrillte. Hatte er einen besonderen Termin übersehen? Er ging noch einmal im Geiste alle in Frage kommenden Termine durch: Geburtstag? Nein! Kennenlerntag? Auch nicht! Verflixt noch mal, er kam nicht drauf! Sylvia zahlte und steckte die Visitenkarte der Fahrerin ein. Dann half Tobias ihr in den Mantel, den sie während der Fahrt auf dem Schoß gehalten hatte. »Mir war vorhin so warm«
Untergehakt gingen sie zur Restauranttür. Als sie sich hinter ihnen schloss, umfing sie eine gedämpfte, anheimelnde Atmosphäre. Der Empfangschef kam ihnen mit freundlichem Gesichtsausdruck entgegen. Sylvia nannte ihren Namen und nach kurzem Blick auf die Reservierungsliste, wurde ihnen ein besonders schön hergerichteter Tisch zugewiesen.
Edel eingedeckt und mit aufwändigerem Blumen-Arrangement als die anderen Tische. Das fiel Tobias sofort auf. Der Ober nahm ihnen die Mäntel ab und ein zweiter rückte ihnen ihre Stühle an den Tisch. Sie hatten kaum Platz genommen, als ihnen bereits ein schlanker, hoch gewachsener Ober mit gewaltiger Stirnglatze ein Tablett mit zwei kühn geschwungenen Champagner-gläsern und einer Schale Erdbeeren mit Moccaschaum brachte.
»Du musst dich heute nicht mit der Karte auseinander setzen! Ich habe schon im Vorwege alles geklärt. Es wird dir an nichts mangeln. Verlass dich auf mich und lass dich verwöhnen, Schatzi! Auf einen schönen Abend!«
»Auf einen schönen Abend!«
Die Gläser klirrten fein. Tobias genoss den eiskalten Champagner, den er zunächst vollmundig über seine Zunge hin und her gleiten ließ und dann, mit entschlossenem Schluck, die Kehle hinunterspülte. Champagner musste man in großen Schlucken trinken, nicht zögerlich nippen. Nur auf diese Art konnte man das Bouquet und die feine Herbe dieses edlen Tropfens wirklich erleben. Er spürte, wie er sich entspannte. Die wunderbare Stimmung des Restaurants, die gedämpften Gespräche der Gäste von den Nachbartischen, die freundliche Servicemannschaft, all das übte eine beruhigende Wirkung auf ihn aus. Ihm gegenüber saß diese wunderschöne Frau. Er sah Sylvia zu, wie sie eine Erdbeere mit einer Sahnehaube versah und sie ihm mit spitzen Fingern zureichte. Er ließ sich von ihr füttern.
»Toll, oder?«
»Hm, ja wirklich!«
Sie schob sich auch eine Frucht in den Mund und kaute betont. Der Ober mit der Stirn-Glatze stand einige Meter entfernt in aufmerksamer Rufbereitschaft - als warte er auf ein Zeichen von Sylvia. Und richtig! Sie sah den Ober an und nickte kurz. Der verschwand wieselflink, um dann erneut mit einem weiteren Tablett wieder an ihrem Tisch zu erscheinen. Mit unbewegter Miene servierte er zwei dreieckige Teller aus edlem, weißem Porzellan mit silbernen Gloschen abgedeckt. Ohne sie zu entfernen, ließ der Ober sie allein. Die Szene kam Tobias irgendwie bekannt vor. »Darf ich?«
Sylvia strahlte ihn an, während er noch am Rätseln war, hob er gleichzeitig die beiden Gloschen von den Tellern ab…
Zum Vorschein kamen drei Austern. Zwei normale, garniert mit Schnittlauch, und eine, fast leere, garniert mit zwei goldenen, funkelnden Ringen. Sie lagen unschuldig in der hellgrauen Schale wie eine Acht - ein kleiner und ein großer. Darunter stand ein großes JA! Wohl von kundiger Köchehand mit einer perlmuttfarbenen Tunke gespritzt. Tobias glotzte sprachlos die Ringe an. Dann wanderte sein Blick abwechselnd zu Sylvia, dann wieder zu den Ringen und nur langsam begann er zu begreifen...
Sie stützte ihr süßes Gesicht in beide Hände und blickte interessiert zu seinen Austern. »Oooch, so etwas Schönes habe ich nicht. Gibst du mir einen ab?«
Kapitel 25
Verdammt! Wie brachte sie es nur fertig, dass er sich ständig wie ein unmündiger Junge vorkam? Mit der Power einer Dampfwalze hatte Sylvia sich gestern quasi mit ihm verlobt. Genau genommen konnte er sich nicht erinnern, jemals gefragt worden zu sein, ob er sie überhaupt noch heiraten wollte.
Jetzt sah er auf den ungewohnten Ring an seiner linken Hand und kam sich albern vor. Verlobt! Allein das Wort konnte er nicht leiden. Es schien aus einer anderen Epoche zu kommen. Klang nach Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder! Wer verlobt sich denn heute noch?
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