Milchrahmstrudel
ist denn der Glückliche, der heute ein Date mit Ihnen hat?«
»Des deaf i net song.«
Ein Blind Date?
»Sie kennen ihn nicht?«, fragte Fanni.
»Freili kenn i eahm«, erwiderte Verena verwirrt, »oba i deaf neamad song, dass mir uns heit treffern.«
Fanni schluckte.
Verena schien ein wenig beschämt darüber, dass sie Fanni, die so freundlich zu ihr gewesen war, derartig vor den Kopf stieß. Sie grübelte eine Weile vor sich hin, dann schien sie einen Ausweg gefunden zu haben. In tiefstem Niederbayrisch begann sie Fanni zu erklären, dass derjenige, mit dem sie verabredet war, sie davor gewarnt hatte, irgendjemandem von dem Treffen zu erzählen. »Des kannt gfährli wern«, hatte er laut Verena eindringlich gesagt. »Für di, oba vor oim für mi.«
Verenas Butterblumen-iq hat ihr wahrscheinlich nicht verraten, dass sie vernascht werden soll – von einem, der das hinterher sowieso vehement abstreiten würde!
Um wen es sich wohl handelt?, fragte sich Fanni.
Stadtrat, Pfarrer, Chefarzt – Heimleiter!
Fanni legte die Hand auf den Arm des Mädchens. »Gehen Sie nach Hause, Verena. Und wenn sich Ihr – ähm – Date wieder meldet, dann fragen Sie den Kerl, wo er heute war und ob er es ernst mit Ihnen meint. Lassen Sie sich nicht anschmieren, Verena.«
Fanni wartete, bis Verena ein zaghaftes Nicken zustande gebracht hatte. Dann stand sie auf, um die Allee hinunterzueilen. Nach den ersten beiden Schritten blieb sie jedoch stehen und drehte sich um.
»Kann ich Sie im Wagen mitnehmen?«
Verena schüttelte den Kopf. »I wart aufn Siemme-Bus. Kannt o sei …«
Fanni ahnte, worauf Verena hoffte. Eine halbe Stunde wollte sie also noch ausharren. Dann würde sie den Sieben-Uhr-Bus nehmen.
Fanni hastete weiter, um endlich auf den hinteren Parkplatz und zu ihrem Auto zu gelangen. Es stand recht einsam dort, Mercedes und Pick-up waren verschwunden. Nur ganz hinten bei den Müllcontainern sah man den Silbermetallic-Lack einer Limousine in der Abendsonne blitzen.
Als Fanni die Hintertür zuschlagen hörte, blickte sie zur Seite, sah Benat herauskommen und erkannte, dass sich ihre Wege kreuzen mussten, falls Benat zu der Silberlimousine wollte und sie weiterhin Kurs auf ihr Auto hielt.
Einen Augenblick später war es so weit.
»Guten Abend«, sagte Benat freundlich.
»Guten Abend, Dr. Benat«, antwortete Fanni.
»Wir kennen uns?«, fragte er überrascht.
»Sogar für gelegentliche Besucher im Haus sind Sie kein Unbekannter, Herr Dr. Benat«, sagte Fanni höflich und gestand sich ein, dass dieser Mann sympathisch wirkte und, da musste sie Hans Rot recht geben, achtbar.
Benat verbeugte sich galant vor Fanni und sagte: »Ich sehe mich Ihnen gegenüber schwer im Nachteil.« Nach einer winzigen Pause setzte er hinzu: »Würden Sie mir die Ehre geben, mir Ihren Namen zu nennen?«
»Fanni Rot«, antwortete Fanni akzentuiert.
Die seit gestern in der Katherinenresidenz berühmt-berüchtigte Fanni Rot!
Benat schien von seinen Gedanken denselben Hinweis bekommen zu haben, denn er machte kurz »Oh«, riss sich jedoch schnell zusammen.
»Nun«, sagte er lächelnd. »Auch Sie sind in der Katherinenresidenz keine Unbekannte.« Dann wurde er ernst. »Ich bin zutiefst darüber betrübt, dass Sie in unserem Seniorenheim ein derart schreckliches Erlebnis hatten.«
Er schien darüber nachzudenken, ob er weiterreden sollte, und entschied sich schließlich dafür. »Mir ist längst klar, dass es nur eine einzige Möglichkeit gibt, Sie vor einem Trauma zu bewahren: Sie müssen sich nächstens dem lebendigen Roland Becker gegenübersehen.«
»Das wäre äußerst hilfreich«, antwortete Fanni darauf hölzern.
Benat wiegte den Kopf. »Ja, das wäre es wohl. Aber ich muss Ihnen leider gestehen, dass sich die Heimleitung soeben entschlossen hat, den Fall ad acta zu legen. Beckers Brief soll als Kündigung gewertet werden, und Ihr Erlebnis auf Treppe als – nennen wir es Lapsus.«
»Es wird sich also niemand darum scheren, ob Roland Becker lebt oder tot vor sich hin rottet?«, fragte Fanni und wirkte sichtlich empört dabei.
Wieder dachte Benat eine Weile nach, bevor er sprach: »Ich habe die Heimleitung eindringlich davor gewarnt, die Sache Becker so zu handhaben. Nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Pflegedienstleiter glaubte ich wenigstens ihn auf meiner Seite. Letztendlich bin ich aber weit überstimmt worden. Herr Müller, unser Heimleiter, fürchtet so sehr um den Ruf der Katherinenresidenz, dass er absolutes
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