Milchrahmstrudel
Stillschweigen über die Angelegenheit verlangt.« Benat schwieg bekümmert. Plötzlich berührte er Fannis Arm. »Aber wir müssen ja nicht klein beigeben.« Er zwinkerte ihr zu. »Meine Kanzlei ist ziemlich gut darin, Leute ausfindig zu machen – Erbberechtigte, Ehemänner, Schuldner. Ich werde einen meiner Mitarbeiter anweisen, den Kontakt zu Becker für Sie herzustellen, und es wird mir eine echte Freude sein, Ihnen den Seelenfrieden zurückzugeben.«
Ein gewinnendes Lächeln erschien um seinen Mund, und sein Blick umfing Fanni wie ein warmer Sommerabend.
Muss sich Sprudel jetzt vorsehen?
4
Endlich, dachte Fanni, als sie am nächsten Morgen – es war Freitag, der 25. Juni – bei strahlendem Sonnenschein die Terrassentür öffnete, um Licht und Luft ins Haus zu lassen. Endlich kann ich ihm in aller Ruhe alles erzählen. Endlich kann ich mit ihm bereden, was mir seit Mittwoch nicht mehr aus dem Kopf geht.
Du wirst doch nicht womöglich etwas gelernt haben aus den Fehlern vom vergangenen Jahr und aus den fatalen Folgen, die sie hatten?
Ich habe nicht nur etwas gelernt, dachte Fanni aufrührerisch, mir sind die Scheuklappen abgefallen.
Ein paar Stunden würde sie allerdings noch warten müssen, bis sie sich Sprudel gegenübersetzen und mit ihm sprechen konnte, denn im Moment befand er sich – der Uhrzeit nach zu schlussfolgern – noch in der Abfertigungshalle des Flughafens von Genua.
Fanni stürzte sich hektisch in die Hausarbeit, weil sie hoffte, dass damit die Stunden bis zu seiner Ankunft schneller vergehen würden.
Für die Fahrt nach Birkenweiler, rechnete sie sich zum x-ten Mal aus, muss man gut eineinhalb Stunden veranschlagen. Dazu kommt noch die halbe oder Dreiviertelstunde, die Sprudel nach der Landung benötigt, um aus dem Flughafengebäude hinaus und mit dem Hol-und-Bring-Service zu dem Bauernhof zu gelangen, wo sein Wagen untergestellt ist.
Selbst wenn er dann von Halbergmoos, ohne bei seinem Haus in Birkenweiler halt zu machen, gleich zum Wäldchen fährt und – statt im Tal zu parken und den Fußpfad zu nehmen – mit dem Auto den Wirtschaftsweg hochkommt, der ihn bis auf fünfzig Meter an die Hütte heranbringt, kann er nicht vor drei Uhr nachmittags eintreffen.
Viel zu unruhig, um noch länger zu Hause herumhantieren zu können, machte sie sich sofort nach dem Mittagessen (Topf und Pfanne, die sie normalerweise per Hand abspülte, räumte sie einfach mitsamt den Tellern in die Spülmaschine) auf den Weg zum Birkenweiler Hügel, obwohl sie wusste, dass Sprudel erst in zwei Stunden am Hütterl sein konnte.
Bänglich hoffte sie, dass sein Flugzeug planmäßig um ein Uhr in München gelandet war.
Fanni werkelte emsig im Hütterl herum. Hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, dass Sprudel endlich käme, und dem Wunsch, ihm einen gebührenden Empfang zu bereiten, sah sie ständig nach der Uhr.
Wäre Hans Rot an diesem Freitag nicht außertourlich zur Mittagsmahlzeit zu Hause erschienen, weil am Nachmittag im Schützenhaus Arbeitseinsatz angesagt war und er sich davor stärken und umziehen musste, wäre sie wohl schon am frühen Vormittag hergekommen. Zugunsten der Schützen hatte Hans Rot auf das wöchentliche Weißwurstessen, das er freitags mit seinen Kollegen im Weißbräustüberl zu zelebrieren pflegte, ausfallen lassen.
Dagegen ließ sich nichts machen.
Ja, was hättest du denn bloß die ganze Zeit getan, wenn du schon seit dem Morgen hier gewesen wärst? Den Kaffeetisch zehnmal gedeckt und wieder abgeräumt? Dir Tannenzweige ins Haar gewunden? Das Klohäuschen mit Lavendelöl poliert?
Fanni hatte den Campingtisch vor das Hütterl getragen und im Schatten der Buche aufgestellt. Sie hatte eine fröhlich gestreifte Tischdecke darübergebreitet und die neuen sonnengelben Tassen aus der Keramikmanufaktur im Lallinger Winkel darauf platziert. Sie hatte die neue Zuckerdose aufgefüllt und dunkelbraunen Schokokuchen mit roten Kirschen darauf auf der neuen gelben Platte angerichtet.
Dein Arrangement sieht ja geradezu hinreißend aus!
Fanni war soeben ins Hütterl zurückgekehrt, um den Kaffee aufzugießen, da vernahm sie heftige Atemzüge. Als sie sich umdrehte, stand Sprudel in der Tür.
Sie hielten sich lange in den Armen.
»Du hast mir gefehlt«, sagte Fanni und schmiegte sich an ihn.
Früher hatte sie das nie getan. Früher hatte sie Distanz gehalten. Das schien ihr nun nicht mehr nötig.
Soll nur alles so kommen, wie es uns bestimmt ist, dachte sie.
Sie würde
Weitere Kostenlose Bücher