Milchrahmstrudel
geschweige denn hier verletzt wurde, hat die Heimleitung einstimmig beschlossen, Becker als ausgeschiedenen Mitarbeiter zu behandeln.«
Damit fuhr er davon, und Fanni kehrte schnell zu Verena zurück, die noch immer an der Säule stand.
»Sie mögen Ihren Chef wohl sehr?«
»Auf eam kann i mi verlassen«, bestätigte Verena. »Er hoit mir d’ Stang, wenn der Hanno sein Narrischen kriagt und umanandschreit.«
»Schön, seinen Chef als Beschützer zu haben«, erwiderte Fanni. »Besonders nachdem Ihr Verehrer das Date neulich platzen ließ und Sie so enttäuscht darüber waren. Hat er sich inzwischen gemeldet?«
Verena schüttelte den Kopf. »Die Schwestern da drin« – sie machte mit dem Kinn eine kleine Bewegung zum Hintereingang – »song olle, er is furt. Furt für lang.«
»Sie hatten ein Date mit Roland Becker?«, platzte Fanni heraus.
Verena schluckte. »Des soi doch koaner wissen.«
»Von mir wird es bestimmt niemand erfahren«, versprach Fanni. »Sind Sie denn schon lange mit Roland … ähm, zusammen?«
»Ob mir zamm san?« Verena dachte intensiv nach. »Woin Sie wissen, ob der Roland und i miteinand bumst ham? Na, des hammer net.«
»Roland ist also genauso ein väterlicher Freund wie Herr Müller?«
»Na, ganz anders …«
Fanni wartete auf eine Erklärung, aber es kam keine. Sie zermarterte sich noch das Hirn, wie sie aus Verena herausbekommen könnte, was genau den Unterschied ausmachte, da sagte das Mädchen: »I hätt scho meng mit’n Roland.«
»Was?«, fragte Fanni zerstreut. »Was hätten Sie mit ihm tun wollen?«
»Na bumsen hoit«, antwortete Verena in einem Ton, als hielte sie Fanni für ziemlich begriffsstutzig.
Fannis nächste Frage musste sie darin bestärken. »Sie wollten also gern mit Roland schlafen, aber er nicht mit Ihnen. Trotzdem haben Sie beide sich gedatet?«
Gibt es das Wort auch als Verb? Und rückbezüglich?
Fanni biss die Zähne zusammen. Sie fand die Unterhaltung schon kompliziert genug, musste ihr jetzt auch noch die blöde Gedankenstimme mit klugscheißerischen Bemerkungen kommen?
»Der Roland woit o a, oba erst nachher«, sagte Verena.
»Ja, wonach denn?«, rief Fanni gereizt.
Verenas Miene war zu entnehmen, dass sie es selbst nicht wusste. Stockend antwortete sie: »Oiso, oiso, er hot gsogt, wenn da – da Skandal umi is, dann … Dann deafern olle wissn, das mir uns treffern, und dann kinna mir a …«
Fanni griff sich mit beiden Händen an die Schläfen. Das Ganze ergab überhaupt keinen Sinn. Roland, der angeblich mit dem gesamten weiblichen Personal der Katherinenresidenz angebändelt, offenbar durchwegs Erfolg damit gehabt und nie ein Geheimnis daraus gemacht hatte, zierte sich ausgerechnet bei Verena, die sich ihm geradezu anbot und deren Reize wohl auch einen verknorzteren Mann als Roland überzeugt hätten.
Was er wohl mit »Skandal« gemeint hat?
Fanni kam nicht mehr dazu, Verena danach zu fragen.
Sie erschraken beide, als sie plötzlich die Stimme des Pflegedienstleiters in ihrem Rücken hörten.
»Verena, verflixt noch mal, du hast fünfzehn Minuten Pause und nicht fünfzig!«
Verena zog den Kopf ein und rannte ins Haus.
»Sie sind ja immer noch da, Frau Rot«, sagte Hanno an Fanni gewandt. »Ich dachte, ich hätte Sie schon vor einiger Zeit aus dem Zimmer Ihrer Tante kommen sehen.«
Geschieht in der Katherinenresidenz eigentlich auch irgendetwas, das diesem Zerberus entgeht?
Wenig wohl, dachte Fanni, aber zu diesem wenigen scheint ausgerechnet ein Mord zu gehören.
Erwin Hanno hatte sich wieder nach drinnen verzogen, und Fanni steuerte nun energisch auf ihren Wagen zu. Sie öffnete die Fahrertür, musste sie aber im nächsten Augenblick wieder zudrücken, weil sich ein Auto in die Lücke drängte, die durch Müllers Abfahrt entstanden war.
»Jonas!«
»Hallo, Frau Rot, Sie wollen doch nicht schon hier einziehen?«
Fanni drohte ihm schalkhaft mit dem Finger. »Ich habe Tante Luise besucht. Und du? Habt ihr etwa den Großvater in der Katherinenresidenz untergebracht?«
Jonas Böckl schüttelte den Kopf. »Ich bin auf der Suche nach einem Freund und dachte, ich seh mal an seiner Arbeitsstelle nach.«
»Roland Becker«, sagte Fanni.
Jonas wirkte so perplex, dass Fanni lachen musste. »Leni hat mir erzählt, dass du ihn auf deiner Feier vermisst hast.«
»Ich vermisse ihn seit exakt fünf Tagen«, erwiderte Jonas. »Und wenn ich ihn hier und jetzt wieder nicht antreffe und auch keine vernünftige Antwort auf die Frage bekomme,
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