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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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Rede und Antwort, erklären Sie, begründen Sie.«
    Hohes Gericht, Fanni Rot bittet um ein gnädiges Urteil!
    Fanni machte den Mund auf.
    Du solltest hingehen, Fanni! Du solltest die Damen fragen, wer dich auf dem Friedhof gesehen hat!
    Aus Fannis Mund kam ein Niesen.
    »Gesundheit.« Das war die Stimme von Hans Rot.
    »Oh«, rief Frau Praml, »schon Feierabend! Da haben wir uns aber ordentlich verplauscht, Ihre Frau und ich.«
    »Nett von Ihnen, Frau Praml«, schmeichelte ihr Hans Rot, »dass Sie auf ein Schwätzchen hereingeschaut haben zu meiner Fanni. Sie ist viel zu oft allein mit ihren Büchern.«
    Fanni machte sich davon. Sie eilte in die Küche, nahm das schmutzige Geschirr – ein Stück nach dem anderen – aus dem Backrohr, ließ kaltes Wasser darüberlaufen und räumte es in den Geschirrspüler. Falls ihr Mann unversehens in der Küche auftauchte, konnte sie die Klappe des Backrohrs schließen und den Rest des Geschirrs wieder dahinter verschwinden lassen.
    Ihr Mann tauchte nicht auf, er plauderte mit Frau Praml.
    Fanni nahm Pfanne samt Topf aus der Mikrowelle, schöpfte zuerst den Knödel heraus, wickelte ihn in Klarsichtfolie und legte ihn in den Kühlschrank. Dann spülte sie den Topf ab, füllte ihn mit frischem Wasser und stellte ihn auf den Herd, um Nudeln darin zu kochen. Zum Abendbrot sollte es Makkaroni mit Schinken geben.
    Fanni hatte die restliche Pilzsoße aus der Pfanne in den Biomüll gekippt, die Pfanne gespült und weggeräumt, die Salatschüssel aus ihrem Versteck im Kühlschrank befreit, ebenfalls abgewaschen und verstaut, als sie die Haustür ins Schloss fallen hörte.
    Das Nudelwasser siedete bereits.
    Beim Abendessen leuchtete Fannis Kopf wie ein roter Lampion. Hans Rot sah sie vorwurfsvoll an.
    »Was für ein Blödsinn, bei dem Wetter draußen rumzulaufen – in Sommerhosen und Wildlederschuhen!«
    Frau Praml hatte also gepetzt.
    Nicht bloß gepetzt, sie hat bei Hans Rot über dich hergezogen!
    Fanni beeilte sich, ins Bett zu kommen.
    Am folgenden Morgen fühlte sie sich schlapp, aber nicht fiebrig.
    Ein paar wärmende Sonnenstrahlen müssten sich blicken lassen, dachte sie, damit wir unseren kleinen Ausflug richtig auskosten können, Sprudel und ich.
    Aber die Sonne machte sich rar, als sie gegen neun Lam erreichten, einen kleinen Ort am Fuße des Osser, dessen Gipfel von der deutsch-tschechischen Grenze auf zwei Länder verteilt wurde.
    Sprudel fasste die noch mit Altschnee bedeckten Felsen ins Auge.
    »Ich hatte gehofft …«, murmelte er, brach ab und fuhr dann fort: »Nun gut, suchen wir nach Pfarrer Winzigs Wurzeln.«
    Fanni sah sich auf dem Marktplatz des Dörfchens um. Ein, zwei Cafés, ein paar Geschäfte, ein Frisörsalon. »Wo?«
    Sprudel deutete auf die Kirche, die am Südende das Platzes aufragte.
    »Sankt Ulrich«, stand auf einem Blatt zu lesen, das Sprudel aus einem Ständer am Eingang fischte. »Erbaut 1699, eingeweiht 1765, im Jahre 1905 erweitert.«
    Fanni und Sprudel betraten das Gotteshaus. Leere Gänge, leere Kirchenbänke, kein Betender vor der Kreuzigungsgruppe auf dem Hochaltar. Sie wanderten ein Weilchen herum, bewunderten die barocke Holzfigur des Kirchenpatrons, würdigten die geschnitzte Kanzel. Dann schauten sie sich ratlos an.
    »Der Friedhof«, flüsterte Fanni und strebte auf den Ausgang zu.
    Zwischen den Gräbern blies der kalte böhmische Wind. Fanni fröstelte. Sie liefen über den Hauptweg, bogen planlos hierhin und dorthin ab.
    Nach gut zehn Minuten stießen sie auf das Grab.
    »Josef Winzig † 12. März 2003, Martha Winzig † 30. Januar 2004«.
    »Heute ist Josefs Todestag«, sagte Fanni.
    »Zweifellos«, antwortete Sprudel. »Bleibt die Frage, ob es sich um die Eltern von Pfarrer Winzig handelt.
    »Um wen denn sonst?«, fragte eine Stimme hinter ihnen. Sie gehörte einer alten Frau, die ein Grablicht in der Hand hielt. Sie drängte sich zwischen Fanni und Sprudel, bugsierte die Kerze in ein Gefäß aus Schmiedeeisen und Glas, das auf einem Moospolster thronte, zündete sie an und klappte das Hütchen darüber.
    »Sind Sie mit ihm verwandt?«, fragte Sprudel.
    Die Alte schüttelte den Kopf. »Die Winzigs waren keine Einheimischen. Hatte der Krieg hierher verschlagen. Und jetzt sind sie wieder weg. Keiner erinnert sich mehr an die.«
    »Sie offensichtlich schon.«
    Die Alte nickte. »Die Winzigs waren meine Nachbarn. Er hat mir immer die Formulare für die Ämter ausgefüllt. Dafür zünd ich ihm an jedem Todestag ein Grablicht an.« Sie

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