Milchschaum
verknüpfte die Enden vorn so, dass sie über der Stirn wippten.
Witwe Bolte in der Kammer …!
Fanni stockte der Atem.
Frau Praml wirkte sehr zufrieden.
Sie nahm den Kopfputz wieder ab, setzte sich an den Tisch und machte sich über ihren Milchschaum her.
Während sie löffelte, berichtete sie Fanni von dem Brand auf dem Saller-Anwesen. Frau Praml wusste auch bereits über die schwarzen Kerzen Bescheid, und der kollektive Scharfsinn des Frauenbundes hatte schon die Verbindung zu Satanisten hergestellt.
Woher diese Satanisten plötzlich kommen sollten, konnte Frau Praml auch nicht erklären.
»Rosie meint«, sagte sie, »dass es sich um junge Leute aus unserer Gemeinde, auf jeden Fall aber aus dem Landkreis handelt. ›Die hängen nicht an die große Glocke, was sie sind und was sie treiben‹, meint sie. ›Die geben sich ganz normal. Schwarze Kleidung mit Nieten, schwarze Augenringe, gespenstisch weiße Gesichter – so werden sie doch bloß im Fernsehen dargestellt. Die feiern ihre schwarzen Messen klammheimlich nachts in abgelegenen Scheunen. Wer könnte davon wissen?‹«
Alle!
»Merkwürdig kommt mir das schon vor«, insistierte Fanni. »Da sollen Jugendliche nachts aus ihren Betten verschwinden, mit schwarzen Kerzen und was weiß ich für Utensilien bewaffnet durch Birkdorf schleichen und sich in einer alten Scheune versammeln, durch deren Bretterritzen man jedes Streichholz flackern sieht. Aber niemand merkt was von dem ganzen Spektakel. In Birkdorf bleibt doch sonst nichts lang geheim.«
»Da täuschen Sie sich aber gewaltig, Frau Rot«, widersprach Frau Praml. »Grausen würde einem, wenn man wüsste, was alles so vorgeht in unserer Gemeinde. Lug und Trug und Ehebruch, Falschheit und doppelte Moral.«
Fanni wurde rot.
»Rosie Hübler hat sich die Scheune heute Mittag angesehen«, fuhr Frau Praml fort. »Der Aufregung nicht wert, meint sie. Um den Stadel ist’s eh nicht schad, und das Wohnhaus selbst hat kaum was abgekriegt.«
Frau Praml unterbrach ihre Expertise, um zu fragen: »Kennen Sie das Saller-Anwesen, Frau Rot?«
Als Fanni den Kopf schüttelte, machte Frau Praml weiter: »Die Außenwände des Wohnhauses, sagt Rosie, sind zwar durch das Feuer verrußt, und der Putz wird bröckeln, weil die Mauern beim Löschen komplett eingewässert wurden, aber was soll’s. Da muss man halt ein bisschen renovieren. Im Haus drinnen, meint Rosie, kann das Wasser allenfalls im Flur stehen, das bisschen Wasser halt, das von dem gepflasterten Gehweg durch die Tür hineingeflossen ist. Und das macht gar nichts, sagt Rosie, weil der Flur gefliest ist und eine Treppenstufe tief unter der Wohnküche liegt, in die er führt. Komplett unbeschädigt, hat Rosie festgestellt, ist der Anbau im Westen – der Wintergarten und das kleine Wohnzimmerchen –, weil der am weitesten vom Brandherd entfernt liegt. Rosie sagt, der Saller-Erbe kann problemlos in dem Haus wohnen bleiben, bis er einen Käufer gefunden hat.«
»Der Erbe sucht nach einem Käufer?«, fragte Fanni verblüfft.
Frau Praml sah sie an, als wäre ihr in ihrem ganzen Leben noch nie so viel Unverstand untergekommen. »Ja, was soll er denn sonst tun? Er wird sich kaum in Birkenweiler einnisten.«
»Warum denn nicht?«, fragte Fanni unbesonnen.
Weil ihn hier keiner haben will, den Erbschleicher, den Bankert der Anna Saller!
Frau Praml trank von ihrem milchschaumentblößten Latte macchiato und schwieg. Nach einer Weile sagte sie: »Das Saller-Anwesen würde dem Erben schön was einbringen. Rosie hat vergangenes Jahr mal mit einem Interessenten verhandelt, als sie und Elsie noch dachten …«
Fanni musste niesen.
»Sie haben sich erkältet, Frau Rot«, stellte ihre Nachbarin die Diagnose. »Sie sollten sich ins Bett legen und heißen Tee mit Holunderlikör und Honig trinken.«
Obwohl Fanni zustimmend nickte, machte Frau Praml keine Anstalten, aufzustehen und zu gehen.
Wer sagt denn, dass der Holunderlikörhonigtee nicht warten kann?
»Für Elsie Kraft ist die entgangene Erbschaft wohl noch schwerer zu verwinden als für Rosie Hübler«, fischte Fanni nach Anhaltspunkten.
»Ja, ja, wegen ihres Sohnes«, bestätigte Frau Praml. »Er macht Elise die Hölle heiß.« Sie begann, unruhig auf ihrem Sitz hin- und herzurutschen, klappte den Mund auf und wieder zu, schluckte, schnaufte ein paarmal tief ein.
Nun spuck es schon aus!
»Heute Nachmittag um zwei Uhr«, sagte Frau Praml – offensichtlich hatte sie beschlossen, Fanni ins Vertrauen zu
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