Milchschaum
äugte von Sprudel zu Fanni. »Und Sie?«
Fanni schluckte. Sprudel kam ihr zu Hilfe. »Wir sind Bekannte von Pfarrer Winzig. Bei einem Rundgang durch Ihren Friedhof ist uns das Grab hier aufgefallen.«
»Den Buben hab ich schon lang nicht mehr gesehen«, sagte die Alte.
»Kommt er so selten in seinen Heimatort?«, fragte Sprudel.
Die Alte dachte nach. »Das letzte Mal, glaube ich, ist er nach seiner Priesterweihe da gewesen – hat eine Messe gelesen.«
»Hat er denn hier keine Freunde aus der Schulzeit, die er ab und zu besucht?
Die Alte verneinte. »Der Bub ist ja schon in jungen Jahren ins Internat gekommen – nach Cham.« Sie schlurfte davon.
Fanni und Sprudel standen eine Weile schweigend da, dann sagte Sprudel ergeben: »Ich nehme an, jetzt machen wir einen Abstecher nach Cham.«
»Jawohl«, entgegnete Fanni. »Zur nächsten Station in Pfarrer Winzigs Lebenslauf.« Sie begann zu rekapitulieren: »Geboren am 1. März 1958 in Lam im Bayerischen Wald. Volksschule in Lam, Gymnasium in Cham, Priesterseminar in Regensburg, Kaplan in Zwiesel, Kötzting und Schwandorf, Pfarrer in Birkdorf.«
»Seine Gymnasialzeit hat Winzig demnach im Internat verbracht«, folgerte Sprudel. »Wie viele Gymnasien es in Cham wohl gibt?«
Fanni zuckte die Schultern. »Zwei vielleicht – heutzutage.« Sie überlegte einen Moment lang. »Aber in den Sechzigern gab es bestimmt nur eines.«
Fanni und Sprudel schlenderten über den Stadtplatz von Cham und fanden das Städtchen auf Anhieb sympathisch. Ein wenig trug auch wohl die Sonne dazu bei, die sich jetzt um die Mittagszeit endlich blicken ließ und erstaunlich wärmte.
Sprudel blickte sehnsüchtig in die Auslage einer Konditorei.
»Sprudel«, mahnte Fanni, »wir müssen zuerst das Gymnasium finden, wenn wir was über den Schüler Winzig erfahren wollen. Um ein Uhr geht die Mehrzahl der Lehrer vermutlich nach Hause zum Essen, und nur eine Handvoll Betreuer bleibt bei den Internatsschülern zurück. Das Sekretariat wird womöglich schon um zwölf geschlossen.«
»Wir wissen ja gar nicht, wo wir nach dem Gymnasium suchen sollen«, murrte Sprudel. »Nach demjenigen, das es schon in den Sechzigern gab.«
Fanni nahm ihn bei der Hand. »Siehst du den Sportplatz da drüben? Würde mich wundern, wenn er nicht zu einer Schule gehörte.«
»Zufallstreffer«, murmelte Sprudel, als sie drei Minuten später vor einem Gymnasium standen, das ihnen passend schien.
Über Treppen und Flure suchten sie sich den Weg zum Sekretariat. Bevor Sprudel anklopfen konnte, packte ihn Fanni am Arm.
»Was tischen wir denen auf?«, fragte sie leise. »Wie begründen wir unser Interesse an einem ehemaligen Schüler namens Josef Winzig?«
»Wie wär’s mit der Wahrheit?«, flüsterte Sprudel zurück und klopfte entschieden an die Tür.
Die ältliche, recht mollige Dame im Sekretariat zeigte sich freundlich und hilfsbereit. Sie suchte die Jahrgangshefte von 1968 bis 1977 heraus und stieß gleich im ersten auf den gesuchten Namen.
Ob es wohl möglich wäre, fragte Sprudel, mit einem der Lehrer zu sprechen, die damals an der Schule unterrichteten.
Die Dame bedauerte. »Die sind alle pensioniert, etliche wohl schon verstorben.« Sie starrte auf die Schülerlisten im Jahrgangsheft von 1977. »Josef Winzig, der Name kommt mir bekannt vor. Seltsam, denn ich arbeite erst seit 1980 hier im Sekretariat.« Sie dachte eine Weile nach. »Mir ist so, als wäre dieser Name ab und zu hinter vorgehaltener Hand erwähnt worden. Könnte sein, dass sich der Junge was hat zuschulden kommen lassen. Aber ich habe mich nie dafür interessiert, kannte ihn ja nicht.«
»Gibt es denn niemanden, der darüber Bescheid weiß?«, fragte Fanni.
Erneut starrte die Sekretärin auf die alten Schülerlisten und dachte nach. Plötzlich rief sie: »Bogenbacher! Sepp Bogenbacher war in den Siebzigern als Hausmeister hier angestellt. Anfang der Achtziger hat er gekündigt und nicht weit von hier ein Café aufgemacht. Sepp Bogenbacher müsste was wissen. Fragen Sie ihn.«
Die freundliche Dame beschrieb den Weg zu »Bogenbachers Café an der Promenade«. Dann kopierte sie die Schülerlisten aus den Jahrgangsheften von 1968 bis 1977, drückte Sprudel die Seiten in die Hand, sah auf ihre Armbanduhr und sagte entschuldigend: »Tut mir leid, ich muss pünktlich um zwölf Uhr zwanzig wegkommen, sonst erwische ich den Bus nach Hause nicht.«
Als sie aus dem Schulportal traten, sagte Sprudel: »Es ist mir vorhin schon aufgefallen –
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