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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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verließen Fanni und Sprudel das Hütterl.
    Auch Sprudel wollte zeitig auf seinem Anwesen zurück sein. Togo-Franz hatte kundgetan, dass es ihm nach einer Plauderei auf Französisch verlange, und Marco wollte später noch zu einem Meinungsaustausch vorbeikommen.
    »Morgen früh«, kündigte Sprudel an, während sie das Plateau querten, »hole ich vom Baumarkt eine Ladung Bretter, und dann beginne ich sofort damit, die Hüttenwand zu vertäfeln.«
    Fanni erhob keinen Einspruch. Sie wusste, was immer sie auch vorbrachte, Sprudel würde sich nicht von seinem Plan abbringen lassen.
    Und der Brandstifter, der hinter Sprudel her ist, läuft noch immer frei herum. Der lacht sich ins Fäustchen, wenn er ihn hier mutterseelenallein im Wald herumwerkeln sieht!
    Schweigend überwanden sie die Steilstufe.
    Weiter unten, dort wo das Waldstück wieder flacher wurde, nahm Fanni Sprudels Hand.
    »Bitte, bitte, gib acht auf dich.«
    Sprudel blieb stehen, legte die freie Hand auf ihre Wange und lächelte sie an.
    Wirst du jetzt weich?
    Fanni rührte sich nicht vom Fleck. Sie standen ganz still da. Plötzlich löste sich aus dem Steilstück über ihnen ein Stein und kugelte den Abhang herunter. Sprudel riss Fanni zur Seite. Der Stein sprang an ihr vorbei, hüpfte über einen Wurzelstock und blieb auf dem Moospolster dahinter liegen.
    Fanni und Sprudel gingen Hand in Hand weiter.
    Als Fanni am Dienstagmorgen aufwachte, schien die Sonne.
    Um neun Uhr zeigte das Thermometer vor dem Küchenfenster bereits laue dreizehn Grad an.
    Es muss heute sein, dachte Fanni. Der Grabstein muss gewaschen werden, und zwischen die Ranken des Immergrüns muss ich frische Veilchen setzen.
    Ostern stand vor der Tür. Höchste Zeit für Fanni, sich um das Grab ihrer Eltern zu kümmern.
    Sie packte Putzlappen, Eimer, eine kleine Schaufel und eine leere Blumenschale in ihren Wagen. Auf dem Weg zum Friedhof hielt sie bei der Gärtnerei an der Hauptstraße an, wo sie einen Dreilitersack schwarze Erde und ein Dutzend Veilchen kaufte.
    Als die Kirchturmuhr zehn schlug, hatte Fanni den Grabstein gesäubert und die Veilchen eingesetzt. Weil sie die Pflanzen noch wässern musste, eilte sie zu der Wasserleitung neben dem Leichenhaus am gegenüberliegenden Rand des Friedhofs, um eine der Gießkannen zu füllen, die dort immer bereitstanden.
    Auf dem Rückweg stieß sie unter dem Friedhofskreuz beinahe mit Jonas Böckl zusammen. Jonas hatte Fanni samt Gießkanne nicht kommen sehen, weil er eine riesige Blumenschale – mit Veilchen und schwankenden Weidenkätzchen bestückt – vor sich hertrug. Er blieb stehen. »Das war aber knapp, Frau Rot.«
    Was tut denn Jonas hier beim Grab des Bürgermeisters?
    Auch Fanni war stehen geblieben.
    Plötzlich machte Jonas zwei Schritte nach links, bückte sich und stellte die Schale vor dem Grab ab, das – vom Kreuz getrennt – neben dem des Bürgermeisters lag. Fanni linste auf den Grabstein. »Böckl«, ach so.
    »Jetzt sehen Sie sich das an, Frau Rot«, murrte Jonas. »Was denkt sich denn meine Mutter, wo die Schale noch hinsoll?«
    Fanni schaute sich die Grabstelle an. Unter etlichen Buchsbäumchen rankte sich Efeu, dazwischen sprossen Primeln. In der rechten vorderen Ecke stand eine Vase mit Tulpen, daneben der Weihwasserkessel. Aus der vorderen linken Ecke glänzte es golden zwischen Schneeglöckchen. Fanni lehnte ihre Gießkanne an die Grabeinfassung, beugte sich hinunter, schob schlanke Blättchen und dralle Glöckchen beiseite, und dann starrte sie auf das, was ihr da entgegenblinkte.
    Die Skulptur stellte, so abstrakt sie auch ausgeführt war, eindeutig einen Engel dar. Aus einem eiförmigen Körper ragten zwei spitze Dreiecke, die zweifellos als Flügel gedacht waren.
    »Ein Ei mit einer Zacke«, murmelte Fanni.
    Zwei Zacken!
    Nicht wenn man die eine als Griff benutzt.
    »Frau Rot, ist Ihnen der Geist von meinem Großvater erschienen?«, rief Jonas. »Oder haben Sie sich vor dieser Verstümmelung des Erzengel Gabriel erschreckt, den Frau Praml meiner Mutter zum Sechzigsten geschenkt hat?«
    Fanni richtete sich auf. »Schau, Jonas«, sagte sie, »genau so wie der Engel auf eurem Grab muss der Gegenstand ausgesehen haben, mit dem Pfarrer Winzig erschlagen wurde.«
    Jonas’ Kinnlade sackte nach unten. Er fixierte den Engel. Plötzlich sprang sein Blick zum Grab des Bürgermeisters, kehrte wieder zurück und blieb auf Fanni haften.
    »Sie meinen, der Täter hat sich unseren Engel geschnappt, hat den Pfarrer damit

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