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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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während die Spaghetti weich kochten.
    Ein Hoch auf Zwetschgenbavesen, sie sind ruck, zuck fertig!
    Das Rezept dafür hatte Fanni Olgas verstorbener Schwester Mirza zu verdanken. »Wenn pressiert«, hatte Mirza damals zu Fanni gesagt, »nix geht über Bavesen. Nehmen Sie Scheibe von Toastbrot, bestreichen es mit Zwetschgenmus. Dann kleben zweite Scheibe drauf, tunken das Packel in verquirltes Ei mit Milch und Zucker und braten in Pfanne goldgelb.« Fanni musste lächeln, als sie an Mirzas verkorkstes Deutsch dachte. In Sachen deutsche Sprache war der Straßenstrich wohl kein guter Lehrmeister gewesen. Im Gegensatz zu Mirza sprach Olga grammatikalisch richtig, wenn auch mit schwerem Akzent. Fanni hatte sie einmal danach gefragt, wer ihr den deutschen Satzbau beigebracht habe.
    »Groschenromane, Frau Rot«, hatte Olga geantwortet. »Sie ahnen gar nicht, was man aus Groschenromanen alles lernen kann.«
    Als Fanni ihren Wagen am Fuß des Birkenweiler Hügels parkte, stellte sie mit Befriedigung fest, dass die warme Märzsonne den Schnee fast weggeschmolzen hatte. Ein paar schmutzig weiße Flecken befanden sich noch da und dort, hauptsächlich in schattigen Mulden, wo der Wind den Schnee im Januar meterhoch angehäuft hatte. Der Wirtschaftsweg sah weitgehend aper aus. Fanni hätte mit dem Wagen bis zur Hütte fahren können, entschied sich jedoch dagegen. Der Fußmarsch würde ihr guttun. Die Sonnenstrahlen würden das letzte Kratzen in ihrem Hals vertreiben.
    Während sie noch das oberste Stück des Steilhangs hochstieg, hörte sie schon das Hämmern.
    Als sie ums Hütteneck bog, sah sie, dass Sprudel bereits ein Drittel der Wand verkleidet hatte. Er musste in aller Frühe zu arbeiten angefangen haben.
    Sechs Uhr mindestens!
    Sprudel legte den Hammer weg und schloss Fanni in die Arme.
    Und dann war es genauso wie am Tag zuvor. Sprudel aß heißhungrig, und Fanni erzählte. Doch diesmal erzählte sie von einem Engel aus Bronze, der möglicherweise Pfarrer Winzigs Schicksal erfüllt hatte.
    »Ein Engel«, schmunzelte Sprudel zwischen zwei Bavesen, »hat den Pfarrer ins Jenseits befördert.«
    »Vielleicht«, sagte Fanni, »vielleicht musste sich der Engel dafür hergeben. Wenn ja, wird er wohl nichts mehr darüber verlauten lassen. Himmlische Botschaften hätten wir allenfalls vor drei Wochen von ihm bekommen.«
    »DNS-Spuren sind lange haltbar«, widersprach Sprudel, »und der Engel lag, wie du sagtest, geschützt zwischen den Pflanzen. Vielleicht lässt sich ihm noch das eine oder andere entlocken.«
    Fanni sah gedankenvoll zu, wie Sprudel von seinem dritten Bavesen abbiss und genussvoll kaute.
    Sehr gut, lass ihn in Ruhe essen, bevor du mit der Geschichte herausrückst, die du dir da zusammengereimt hast!
    Sprudel schluckte den letzten Bissen des letzten Bavesen hinunter und lehnte sich zurück. Fanni wollte soeben den Mund aufmachen, da griff er in die Brusttasche seines Flanellhemdes und sagte: »Wegen all dieser – ähm – Vorfälle in letzter Zeit haben wir unsere Hypothesenliste ganz vergessen. Solche Listen haben uns doch bisher immer einen großen Schritt vorwärts gebracht – im Fall Mirza, im Fall Annabel …«
    Er glättete den Zettel, auf den er drei Wochen zuvor den Namen des Opfers geschrieben hatte. Darunter stand ein durchgestrichenes »Togo-Franz«. Sprudel nahm einen Stift von der Fensterbank und schrieb noch zwei Namen darunter, die er sofort wieder durchstrich: »Elsie Kraft«, »Gerd Holler«.
    »Ende?«, erkundigte sich Fanni.
    Sprudel sah sie an, schüttelte den Kopf und schrieb: »Rosie Hübler«.
    »Wie kommst du …?«, begann Fanni, ohne den Satz zu beenden.
    »Gestern Abend«, entgegnete Sprudel, »hatte ich wieder einen Plausch mit Togo-Franz. Wir kamen – wie meistens – auf Winzig zu sprechen, und Togo-Franz meinte, Winzig müsse früher einmal einen psychischen Schock erlitten haben, der ihn völlig aus der Bahn geworfen hat.«
    Sprudel machte eine Pause, stülpte seine Wangenfalten hierhin und dorthin und fuhr dann fort: »Togo-Franz ist weise. ›Winzigs Helfersyndrom‹, hat er gesagt, ›resultierte aus Schuldgefühlen gegenüber anderen; seine Fresssucht aus Schuldgefühlen gegenüber sich selbst.‹ Damit kam Togo-Franz der Wahrheit so nahe, dass ich nicht anders konnte, als ihm die Geschichte von Winzig, Zankl und Holler zu erzählen, die damit endete, dass sich Winzig seinen Traumberuf versagte und ins Priesterseminar eintrat.«
    Sprudel gluckste leise. »Bei Togo-Franz

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