Milchschaum
her. Sie erzählte ihm indessen von dem gestrigen Kaffeekränzchen mit Frau Praml und Elsie Kraft.
»Elsie macht sich große Sorgen um ihren Sohn«, sagte sie abschließend. »Sie scheint mir mehr bekümmert über ihn als zornig auf dich.«
Sprudel schob den leeren Teller zur Seite. »Marco hat sie heute früh vernommen.«
»Woher weißt du das?«, fragte Fanni.
»Ich habe mit ihm telefoniert, kurz bevor du gekommen bist.«
Sprudel setzte sich bequemer zurecht. »Weil Brandstiftung nicht in sein Ressort fällt, hat er Elsie Kraft offiziell im Fall Winzig verhört. Dabei ist auch er zu der Ansicht gelangt, dass Elsie schier unfähig ist, selbstständig zu handeln. Sie hat sich in den vergangenen Jahren komplett von Pfarrer Winzig leiten lassen.« Sprudel strich sich über die Stirn. »Da stellt sich doch die Frage: Hat jemand dessen Platz eingenommen? Elsies Sohn vielleicht?«
Fanni schüttelte vehement den Kopf. »Dann würde sie anders über ihn reden. Mit Respekt, nicht mit Sorge.«
Sprudel gab ihr uneingeschränkt recht. »Marco hat Elsie natürlich wegen der schwarzen Kerzen befragt. Sie gab offen zu, dass sie vom Klein-Hof ein ganzes Bündel davon mitgenommen hat. ›Ich weiß‹, hat sie gesagt, ›schwarze Kerzen werden heutzutage einem Satanismuskult zugeschrieben. Aber bei uns haben sie als Wetterkerzen eine lange Tradition. Rosie hat erst kürzlich ihre Liebe für sie entdeckt. Bis auf eine habe ich ihr alle gegeben, die ich hatte. Rosie hat wunderschöne Gestecke daraus gemacht. Eines steht jetzt in der Kirche.‹«
Rosie Hübler besitzt schwarze Kerzen?
»Ja«, nickte Sprudel, »da hat Marco auch aufgehorcht. Aber Rosie hat ein Alibi, genau wie Elsie. Danach gefragt, was sie in der Nacht vom 10. auf den 11. März – als meine Scheune brannte – gemacht habe, sagte Elsie nicht etwa ›geschlafen‹, sondern ›gefeiert‹. Die ganze Familie feierte den achtzigsten Geburtstag eines Verwandten in Buchenweiler. Für die, die am nächsten Tag nicht zur Arbeit mussten, wurde es eine sehr lange Nacht. Elsie sagte, Rosie und sie seien erst morgens um fünf aufgebrochen.«
Sprudel stand auf und legte Holz nach. Als er an den Tisch zurückkehrte, fuhr er fort: »Am Nachmittag des 15., also vorgestern, hat der Frauenbund von zwei bis fünf Küken aus Silberdraht für den Osterbasar gebastelt. Rosie und Frau Praml sind etwas früher gegangen, weil sie Birkenzweige sammeln wollten – gemeinsam! –, um später die Drahtküken darauf zu befestigen.«
»Sackgasse«, stellte Fanni fest. »Wie kommt Marco im Fall Winzig weiter?«
»Holler behauptet«, erwiderte Sprudel, »Winzig sei ihm wie ein Hündchen gefolgt, als er ›Komm mit!‹ zu ihm sagte. Das schlechte Gewissen sei ihm ins Gesicht geschrieben gewesen.«
Fanni kaute auf ihrer Unterlippe, als sie sich die Szene vorstellte. Holler, groß, schlank, athletisch voraneilend, Pfarrer Winzig kugelrund, im spitzenbesetzten Chorhemd hinter ihm herstolpernd.
Und niemand hatte die beiden gesehen.
»Holler sagt«, berichtete Sprudel, »in seinem Kopf hätte es wie mit einem Schmiedehammer gepocht: Winzig soll Buße tun, Buße tun, Buße tun! Aber er schwört, dass er ihn nicht angefasst hat. Er hat ihm befohlen, vor dem Grab von Ulrich Zankls Vater niederzuknien und die Stirn auf den Boden zu drücken. Das hat Winzig gehorsam getan. Daraufhin hat ihn Holler angewiesen, den schmerzensreichen Rosenkranz zu beten – zweimal, einmal für den Junior und einmal für den Senior. Als Winzig zu murmeln begann, sei er weggegangen.«
»Du glaubst ihm«, sagte Fanni.
»Marco glaubt ihm«, nickte Sprudel. »Er hat Holler gehen lassen, obwohl der Verdacht, dass er der Täter ist, durchaus als fundiert gelten kann.«
»Fundierter jedenfalls als die Konsequenz, die sich ergäbe, wenn Holler an Winzigs Tod unschuldig ist«, sagte Fanni.
Sprudel zog die Augenbrauen hoch.
»Jemand kam des Wegs«, erklärte Fanni, »sah den Pfarrer so zweckmäßig da knien und schlug ihm den Schädel ein. Wieso?«
Sprudel seufzte. »Ich weiß es nicht, Fanni.«
Fanni erhob sich. Sie musste nach Hause. Hans würde heute pünktlich heimkommen.
Das Weißwurstfrühstück tags zuvor in Erding hatte sich bis zum Abend hingezogen. Hans war erst gegen Mitternacht zur Tür hereingepoltert und am Morgen verkatert ins Büro gefahren. Er hatte in der Mittagspause auf dem Sofa ein Nickerchen gehalten und dann angekündigt, er werde sich gleich nach dem Abendbrot ins Bett legen.
Zusammen
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