Milchschaum
»Rosie hat aber vielleicht auch Mistkerl gedacht und Kanaille.«
Fanni nickte. »Sie war auf einmal rasend wütend auf den Pfarrer. Er hatte ihr Elsie stets vorgezogen, er hatte ihr den Kampf ums Erbe vermasselt.«
Sie hielt inne und wiederholte erschrocken: »Den Kampf ums Erbe vermasselt.«
»Natürlich hat er das«, sagte Sprudel, »wollte Rosie nicht prozessieren, obwohl der Anwalt, den sie konsultierten, eher abriet?«
»Nicht nur Rosie«, entgegnete Fanni. »Auch Elsies Sohn hat Pfarrer Winzig den Kampf ums Erbe vermasselt. Der Junge muss eine Stinkwut gehabt haben. Warum haben wir ihn nie als Täter in Betracht gezogen?«
Sprudel winkte ab. »Marco hat ihn natürlich überprüft. Am Mittwoch, den 20. Februar, hat der Junge – wie auch an den Tagen davor und danach – in der Filiale seines Chefs in Schwandorf Ölfilter gereinigt und Lager abgeschmiert. Drei Mechaniker haben das bestätigt. Die Nacht, in der meine Scheune brannte, hat er in einer Disco in Straubing verbracht, dafür gibt es mindestens zwanzig Zeugen. Vergangenen Samstag hat ihn halb Birkdorf mit seiner Maschine mittags in Richtung Deggendorf knattern und erst gegen Mitternacht zurückkommen hören.« Sprudel holte Luft. »Du kannst Elsies Sohn also getrost außer Acht lassen und mit Rosie weitermachen.«
»Wo …?«
»Rosie sah plötzlich rot«, half ihr Sprudel.
Fanni nickte. »Der auf den Knien liegende Winzig bot ihr – wie ein Verurteilter dem Henker – den ungeschützten Nacken dar. Rosie sah sich nach etwas zum Zuschlagen um. Aus dem Efeu am Böckl-Grab ragte eine Zinke. Rosie ergriff sie und ging auf den Pfarrer zu …«
»Er rührte sich nicht«, vermutete Sprudel.
»Vielleicht wäre sie zur Besinnung gekommen«, mutmaßte Fanni, »wenn Winzig jetzt hochgeschaut hätte.«
»Das tat er aber nicht.«
»Da hat sie ihn erschlagen.«
»Und danach?«, fragte Sprudel.
»Rosie konnte keinen Unterschied zu davor erkennen«, antwortete Fanni. »Winzig verharrte noch immer im Kotau.«
»Da legte Rosie ihr Werkzeug dorthin zurück, woher sie es genommen hatte, und ging weg – ihren Pflichten nach«, beendete Sprudel die hypothetische Szene.
Fanni sah ihn an. »So könnte es sich abgespielt haben.«
Eine Weile war es still in der Hütte. Fanni grübelte vor sich hin. Sprudel wartete. Lange musste er sich nicht gedulden. Wie schon zuvor begann Fanni sehr bedächtig:
»Rosie hat das, was sie getan hat, nicht bereut. Im Gegenteil …«
»Sie ist auf den Geschmack gekommen«, sagte Sprudel.
»Befriedigter Rachedurst fühlt sich gut an«, machte Fanni weiter. »Deshalb nahm Rosie jetzt den Erbschleicher ins Visier.«
»Etwas Entscheidendes hatte sich inzwischen verändert«, sagte Sprudel. »Der Damm war gebrochen. Rosie hatte erfahren, wie gut Vergeltung tut. Sie hatte sich selbst bewiesen, wie einfach es ist, seine Widersacher zu bestrafen. Nun begann sie zu planen.«
»Sie beabsichtigte den Erbschleicher auszuräuchern«, stimmte ihm Fanni zu, »und nebenbei tüftelte sie aus, wem sie ihre Taten in die Schuhe schieben könnte.«
»Sie beschloss, ein Feuer zu legen«, nahm Sprudel den Faden auf, »weil sie dachte, dass auch der Erbschleicher dann mit nichts dastehen würde. Die Brandstiftung wollte sie jemandem anlasten, dem so etwas zuzutrauen war. Dennoch erstaunlich, dass sie auf Satanisten kam.«
»Moment mal«, wandte Fanni ein. »Wieso hat sie eigentlich Feuer gelegt? Gescheiter wäre es doch gewesen, den Erbschleicher umzubringen, um dann selbst zu erben.«
»Sie hätte nie und nimmer geerbt«, antwortete Sprudel. »Solange ein Testament nicht angefochten ist, gilt es. Das bedeutet, der Erbe bin zunächst ich. Wäre ich letzte Woche eines plötzlichen Todes gestorben, dann würde mein Vermögen einschließlich des Saller-Anwesens an meine nächsten Verwandten gehen. Wer immer das auch sein mag, der Besitz würde in der Saller-Linie verbleiben. Höchste Zeit, meinerseits ein Testament zu machen«, fügte er kaum hörbar hinzu.
»Rosie muss das klar gewesen sein«, sagte Fanni. »Sie wusste, dass es ihr nichts nützen würde, dich umzubringen. Aber das Saller-Anwesen solltest du auch nicht bekommen. Niemand sollte es bekommen, wenn sie es schon nicht bekam. Sie legte Feuer, und es war ihr egal, ob du dabei mit draufgehst oder nicht.«
»Rosie beschloss also, mein Erbe abzufackeln, und suchte sich die Satanisten als Sündenböcke aus«, resümierte Sprudel.
»Zwischendurch hat sie sich größte Mühe
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