Milchschaum
Birkenzweige zu sammeln. Das könnte man als Alibi gelten lassen, hätte mir Frau Praml heute Vormittag nicht erzählt, dass ihr Rosie abhandengekommen war. ›Stellen Sie sich vor, Frau Rot, ich hatte noch keine zwei Ästchen abgeschnitten, da war Rosie weg. Wir haben uns verloren und nicht mehr gefunden.‹ Ich habe Frau Praml gefragt, wer denn die Idee hatte, das Basteln sein zu lassen und Zweige zu sammeln. ›Na, Rosie natürlich. Rosie hat immer die Ideen. Und es war ein guter Vorschlag, die Küken auf Zweige zu setzen.‹«
»Rosie Hübler wird doch nicht …«, fing Sprudel an, doch wieder ließ ihn Fanni nicht zu Ende sprechen. »Im Fall Scheunenbrand auf dem Saller-Anwesen hat Rosie ein sehr schönes Alibi. Mit mindestens zwanzig anderen hat sie die ganze Nacht hindurch den achtzigsten Geburtstag eines Verwandten gefeiert. Erst um fünf Uhr früh ist sie zusammen mit Elsie Kraft nach Hause gegangen. Fragt sich nur: Wo war Rosie zwischen eins und zwei? Da hat ihr Mann sie nämlich gesucht und nach ihr gerufen. Ihren Freundinnen vom Frauenbund hat Rosie später erzählt, er wäre so besoffen gewesen, dass er seine eigene Frau nicht mehr erkannt habe. Und noch eine Frage: Wo ist das Gesteck mit den schwarzen Kerzen abgeblieben, das Rosie dem Jubilar mitgebracht hat?«
Sprudel fuchtelte mit seinem Stift. »Weißt du, welchen Schluss das alles zulässt, Fanni? Rosie hat nicht nur PfarrerWinzig umgebracht, sondern auch die Brände gelegt. Haben wir dafür ein sichtbares Motiv?«
»Das für die Brandstiftungen stand heute Morgen in der Zeitung«, antwortete Fanni trocken.«
Sprudel sah sie verdattert an.
»Das Haus der Hüblers wird zwangsversteigert«, teilte ihm Fanni mit.
»Rosie hätte die Erbschaft also noch dringender gebraucht als Elsie«, staunte Sprudel. »Aber hieß es nicht, Rosie hätte eine gut situierte Tochter?«
»Die sich«, erwiderte Fanni, »laut Frau Praml stets geweigert hat, ›auch nur einen Cent in den hässlichen Hübler-Kasten zu stecken, der für zwei Personen sowieso viel zu groß ist‹.«
»Verstehe«, sagte Sprudel. »Rosie war wütend auf mich. Sie hat mir die Schuld dafür gegeben, dass sie ihr Heim nicht retten konnte. Deshalb hat sie meines angezündet – und später das Hütterl. Sie muss mir nachspioniert haben, dachte womöglich, das Hütterl gehörte zur Erbschaft. Aber warum sollte sie Pfarrer Winzig erschlagen haben?«
»Eifersucht«, bot Fanni an. »Winzig hatte ja nur Augen und Ohren für Elsie. Dabei war Rosie doch diejenige, die wirklich was geleistet hat. Sie hatte den Vorsitz im Frauenbund inne. Nach ihrer Pfeife wurde da getanzt – zum Wohle der Kirche. Hat Winzig Rosies Verdienste genügend honoriert? Wohl nicht, er war ja vollauf mit Elsie, dem armen Hascherl, beschäftigt.«
»Außerdem hat er in der Saller’schen Testamentssache lautstark zum Rückzug geblasen«, fügte Sprudel nachdenklich hinzu. »Elsie hat ihm natürlich sofort gehorcht. Fühlte sich Rosie da vielleicht im Stich gelassen?«
Fanni stützte den Kopf in die Hände. »Rosie Hübler hatte natürlich nicht vor, den Birkdorfer Pfarrer um die Ecke zu bringen«, sagte sie langsam. »Sie wollte nach der Beerdigung nur wie immer in der Friedhofskapelle die Topfpflanzen gießen. Beim Grab vom Bürgermeister wartete sie ab, bis alle Birkdorfer Bürger vorbeidefiliert waren, weil sie auf dem Weg zur Kapelle nicht gegen den Strom schwimmen mochte. Als sie endlich freie Bahn hatte, lief sie los. Plötzlich sah sie Winzig in Begleitung von jemandem daherkommen.«
»Rosie muss den Pfarrer von Weitem erkannt haben«, ergänzte Sprudel, »eine Kugel im Spitzenhemd.«
»Sie hat sich gefragt, wieso Winzig in vollem Ornat unterwegs war – im Schlepptau eines Unbekannten«, machte Fanni weiter.
»Und weil sie wissen wollte, was es damit auf sich hatte, versteckte sie sich hinter dem nächsten Grabstein und reckte den Hals«, führte Sprudel die Theorie fort.
»Sie konnte beobachten«, nahm Fanni den Faden wieder auf, »dass sich der Pfarrer hinkniete und wie bei einem Kotau die Stirn auf den Boden presste. Bald darauf sah sie den Unbekannten weggehen.«
»Rosie schlich sich näher«, sagte Sprudel.
»Neben dem Kreuz, direkt vor dem Böckl-Grab, blieb sie stehen«, sagte Fanni.
»Rosie schaute sich den knienden Pfarrer an und spürte, wie eine lang angestaute Wut hervorbrach«, mutmaßte Sprudel.
»Feigling, wird sie gedacht haben«, meinte Fanni, »Jammerlappen.«
»Hm«, machte Sprudel,
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