Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Leute entkommen.
»Ein paar Leute aus Tycho Station sind gerade reingekommen. Ich habe eine Uniformierte beauftragt, bei ihnen zu bleiben, bis ich die Person gefunden habe, die für sie zuständig ist.«
»In dem Wygnin-Fall?«, fragte Flint die Diensthabende.
»Eltern«, sagte DeRicci und drückte seinen Arm. Dann drehte sie sich zu der diensthabenden Beamtin um. »Wo sind sie?«
»Im Zeugenraum«, antwortete die Diensthabende. »Da sind sie am ehesten unter sich.«
DeRicci nickte. »Also los, Flint.«
Theoretisch fielen die Kinder in seine Zuständigkeit; aber er wusste, was sie tun würde: Sie würde den Wygnin-Fall komplett übernehmen, damit sie sich nicht mit den Rev auseinander setzen musste.
Und Flint war in Versuchung, sie gewähren zu lassen, doch das bedeutete, dass er den Dolmetscher in das Verhörzimmer begleiten musste. Je länger Flint den Rev jedoch fern bleiben konnte, desto besser. Auf diese Weise konnte er nicht gezwungen werden zu lügen.
Er drehte sich zu dem Dolmetscher um. »Die Rev warten in einem Verhörzimmer. Vermutlich hätten sie gern ein paar Erfrischungen. Es ist ziemlich warm da drin.«
»Ich bin kein Kellner«, entgegnete der Dolmetscher.
Flint zuckte mit den Schultern. »Ganz wie Sie wollen. Aber ich werde ungeduldig, wenn mein Blutzuckerspiegel zu niedrig ist. Ich weiß nicht, wie die Rev reagieren.«
»Aber ich weiß doch gar nicht, wo alles ist«, wandte der Dolmetscher ein.
»Die diensthabende Beamtin wird Ihnen sicher helfen«, sagte DeRicci. »Kommen Sie, Flint.«
»Ich bin bald zurück«, versprach er dem Dolmetscher. »Gehen Sie den Vollzugsbefehl mit ihnen durch. Ich stoße dann in Kürze zu Ihnen.«
Der Dolmetscher schüttelte den Kopf und protestierte immer noch verhalten, als Flint und DeRicci bereits davongingen.
»Den haben sie hergeschickt? Der soll den Rev auf Augenhöhe begegnen?«, fragte DeRicci.
»Hobell hat ihn selbst ausgewählt.«
DeRicci stieß einen Pfiff aus. »Das also passiert mit Leuten, die zu viel Kontakt zu Aliens haben.«
Sie ließ der Bemerkung kein Lächeln folgen. Flint war nicht sicher, ob sie gescherzt hatte oder nicht.
Der Korridor war hier besonders breit, weil er von vielen Zivilisten benutzt wurde. Viele von ihnen waren Zeugen, aber ebenso viele waren Opfer oder deren Angehörige, und die Architekten dieser Abteilung waren der Ansicht gewesen, dass ihnen die Umgebung wenigstens einen Eindruck von Behaglichkeit vermitteln sollte.
Ursprünglich waren die Wände in einem besänftigenden Blau gestrichen worden, doch das war über die Jahre zu einem schmutzigen Grau verblasst. Der Boden war abgescheuert und die ehemals weiße Decke vergilbt. Statt Behaglichkeit zu vermitteln, erinnerte dieser Bereich Flint stets daran, dass alles, was einmal vielversprechend erschien, eines Tages alt und abgenutzt sein konnte.
»Sie sind so still«, sagte DeRicci. Abgesehen von einigen wenigen Uniformierten waren sie derzeit die einzigen Personen im Gang.
»Langer Tag«, entgegnete Flint.
»Wie haben Sie Hobell davon abgebracht, uns zu degradieren?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihr die Wahrheit gesagt.«
»Die da lautet?«
»Dass man uns ursprünglich gesagt hat, Palmer könnte eine Touristin sein.«
DeRicci bedachte ihn mit einem schrägen Blick, und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Sie fangen an, mich zu faszinieren, Flint.«
»Wie kommt’s?«, fragte er, als sie die letzte Ecke vor dem Beobachtungsflügel umrundeten.
»Sie sehen so süß und unschuldig aus, aber das sind Sie nicht.«
»Ich war schon lange Bulle, bevor ich Detective geworden bin«, bemerkte er.
»Ja«, erwiderte sie. »Aber dieses Gesicht. Keine Modifikationen und so ein naives Aussehen. Jeder könnte denken, Sie wären ein Schwächling.«
»Und? Haben Sie das auch gedacht?«, fragte er.
»Am Anfang kam es mir so vor.« Ihr Lächeln dehnte sich zu einem Grinsen. »Jedenfalls bin ich froh, dass Sie endlich aus Ihrem Schneckenhaus gekrochen sind.«
Sie erreichten die Doppeltüren, die den Eingang zum Zeugengewahrsam kennzeichneten. DeRicci legte ihre Hand auf ein Sicherheitsfeld. Die Schlösser öffneten sich klickend. Als sie das taten, erkundigte sie sich nach den Zeugen im Wygnin-Fall. Der Computer nannte ihr die Lage des Warteraums.
Als Flint diesen Teil des Gebäudes zum ersten Mal betreten hatte, hatte er sich gefühlt wie in einem Spiegelkabinett. Anstelle von Wänden wurde der Gang zu beiden Seiten von deckenhohen Fenstern aus
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