Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Szenerie, eine fließende, sich stetig wandelnde Gruppe, die so selbstverständlich zu diesem Ort gehörte wie die Wände.
Aber der Dolmetscher sah sie, und er zuckte jedes Mal unwillkürlich zusammen, wenn jemand ihn streifte.
Demnach war er kein Regierungsangestellter. Flint hätte sein vollständiges Jahresgehalt darauf verwettet, dass dieser Dolmetscher überwiegend für Privatfirmen tätig war.
»Hallo«, sagte Flint, als er sich dem Dolmetscher mit ausgestreckter Hand näherte. »Ich bin Detective Flint. Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten. Die Rev warten hinten auf uns.«
Der Mann blickte ihn aus fahlen, wässrigen Augen an. »Sind sie wütend?«
Ein Hauch von Furcht schwang in seiner Stimme mit. Flints Hand schien er gar nicht wahrzunehmen.
»Man sagte mir«, fuhr der Mann fort, ehe Flint überhaupt antworten konnte, »dass es sich um eine Rechtsangelegenheit handelt. Die Rev hassen Rechtsangelegenheiten, vor allem, wenn sie sich nicht in ihrem Sinne entwickeln.«
»Im Augenblick zeigen sie sich geduldig«, erklärte Flint. »Was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass sie mit mir und meinem unzulänglichen Rev vorlieb nehmen mussten. Aber sie werden froh sein, jemanden dabeizuhaben, der ihre Gebräuche und ihre Sprache besser versteht als ich.«
»Ich habe vorher noch nie in einer Rechtsangelegenheit mit den Rev verhandelt«, sagte der Mann, »aber die Polizeipräsidentin hat mich hergerufen. Wie ernst ist die Lage?«
Die Polizeipräsidentin, was? Offenbar hatte sie es vorgezogen, den besten Dolmetscher zu rufen, statt sich mit einem derjenigen zu begnügen, die auf der Gehaltsliste der Stadt standen. Daran hatte Flint nichts auszusetzen. Schließlich wollte niemand, dass die Lage schlimmer wurde, als sie es ohnehin schon war.
»Sehr ernst«, antwortete Flint. »Darum sind Sie hier. Kommen Sie mit.«
Erst, als er schon den ersten Schritt getan hatte, fiel Flint auf, dass er vergessen hatte, sich nach dem Namen des Mannes zu erkundigen. Nicht, dass das wirklich etwas ausgemacht hätte. Sollte er den Burschen noch einmal brauchen, würde das Büro der Polizeipräsidentin wissen, wo er zu finden war.
Sie hatten gerade den hohen Empfangstresen des diensthabenden Beamten erreicht, als Flint eine vertraute Gestalt in den Korridor gehen sah.
»DeRicci!«, brüllte er. Dann, als ihm bewusst wurde, dass seine Stimme den Lärm nicht hatte überwinden können, brüllte er noch lauter: »DeRicci!«
Sie hielt inne, drehte sich um und verzog das Gesicht. Dann ging sie auf ihn zu. »Ich dachte, Sie wären im Verhörzimmer.«
»Ich brauchte einen Dolmetscher.« Mit einem Nicken deutete Flint auf den Mann, der neben ihm stand.
DeRicci erfasste den ganzen Mann mit einem Blick, der sogleich ihr Gefühl preisgab: Geringschätzung. Eine immerhin erstaunliche Reaktion für eine Frau, deren Kleidung zerrissen war; deren Haar aussah, als hätte sie es in einen Windsturm gehalten, und deren Gesicht mit dem braunen Staub des toten Erdtrabanten verschmiert war.
»Sind Sie gerade eingetroffen?«, fragte sie den Dolmetscher.
»Ich habe gerade erst davon erfahren, ja«, antwortete der Dolmetscher und wippte auf den Zehen, während er mit ihr sprach. Flint hatte noch nie einen so furchtsamen Dolmetscher erlebt. Er war nicht sicher, ob die Eingangshalle den Mann so ängstigte oder die Tatsache, dass er sich möglicherweise in Kürze wütenden Rev zu stellen hatte, oder beides.
»Ich dachte, Sie hätten gesagt, es sei eilig.« Nun sprach sie mit Flint.
»Das habe ich«, erwiderte er, »und es sieht nicht so aus, als hätten Sie mir zugehört.«
Sie zuckte mit den Schultern und sah sich in dem Raum um. »Ich habe Mist gebaut, Flint.«
»Das haben wir beide.« Flint hatte das Gefühl, dass sie wütend auf ihn war, aber das kümmerte ihn nicht. Sie hatte ihren Job behalten und er auch. »Ich habe den Rev versprochen, sofort zu ihnen zu kommen, sobald der Dolmetscher eingetroffen ist.«
»Was für ein Tag«, stöhnte DeRicci. »Fängt mit den Wygnin an und geht mit den Rev weiter.«
»Sie sind für die Wygnin zuständig?« Dieses Mal kam die Stimme von oben. Sowohl Flint als auch DeRicci blickten auf.
Die diensthabende Beamtin schaute von ihrem Tresen mit verkniffener Miene zu ihnen herunter.
»In einem unserer Fälle, ja«, antwortete Flint.
»Die Kinder, richtig?«
»Richtig«, antwortete DeRicci argwöhnisch.
Der Dolmetscher trat näher an den Tresen heran, als wolle er auf diese Art dem steten Strom der
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