Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Dolmetscher eingetroffen ist.«
Sie entließen ihn. Flint war erleichtert. »Kann ich irgendetwas tun, um es Ihnen hier bequemer zu machen?«
»Nein«, antwortete der Rev. »Wir werden nicht lange genug hier sein, um es uns bequem zu machen.«
Flint rang sich ein Lächeln ab und nickte in der Hoffnung, dass der Rev Recht behalten würde.
Die Nacht war merkwürdig still. Es war viel Zeit vergangen, seit Ekaterina zum letzten Mal in einer Kuppel gewesen war. Sie hatte vergessen, wie Kuppelakustik funktionierte. Laute Geräusche konnten nachhallen, aber anders als in einer stillen Nacht auf Erden schienen leise Geräusche vollkommen unterzugehen.
Aus diesem Grund bewegte sie sich langsamer. Hier war sie vorsichtiger, als sie es zu Hause gewesen wäre.
Die dunkle Nachbarschaft schien sich mindestens eine Meile hinzuziehen. Ekaterina hatte einige Zäune überklettert und sich ihren Weg durch etliche Gärten gesucht.
Allem Anschein nach waren Haustiere in diesem Teil von Armstrong nicht gestattet. Sie hörte weder bellende Hunde, noch stolperte sie über Katzen. Im Augenblick war sie dafür wirklich dankbar.
Schließlich erreichte sie einen ungepflegten Häuserblock. Die Gärten waren ausgedörrt, die Pflanzen entweder vergammelt oder vollständig verschwunden. Ein paar Wüstenpflanzen hatten sich in der künstlich angereicherten Erde ausgebreitet – als würden sie das Gebiet zurückerobern wollen, falls ihre Saat nicht von einem anderen Ort stammte.
Die meisten Häuser sahen unbewohnt aus, aber die, die bewohnt waren, waren mit großen, pompösen Türschlössern ausgestattet, Schlösser, wie Ekaterina sie auf Erden niemals außerhalb von Museen erblickt hatte. Die Schlösser schienen weniger zum Schutz der Bewohner zu dienen als vielmehr dazu, ihren Besitzanspruch kundzutun.
Als Ekaterina sich einigen der Häuser näherte, erkannte sie, dass sie aus Permaplastik erbaut worden waren, ein Material, das inzwischen kaum noch benutzt wurde. Die frühen Siedler auf dem Mond und dem Mars hatten es massenweise eingesetzt – das Material war beständig, selbst unter unberechenbaren Umweltbedingungen. Doch dann hatte die Wissenschaft neue Materialien entwickelt, von denen viele vor Ort angebaut werden konnten, wenn die Siedler einen bewohnbaren Planeten erreicht hatten, und so war Permaplastik mehr oder weniger in Vergessenheit geraten.
Ekaterina musste sich in einem der ältesten Teile von Armstrong befinden. Ihr leerer Magen verkrampfte sich. Sie hoffte, dass dieser Stadtteil nur verarmt war und kein Hort des Verbrechens, wie es so viele ältere Stadtgebiete waren. Falls dies eine Verbrechenshochburg war, lief sie den Vertretern des Gesetzes womöglich direkt in die Arme.
Hier gab es keine Straßenbeleuchtung mehr. Die Luft fühlte sich noch dünner an, und dabei war Ekaterina diesmal gar nicht schnell gelaufen. Sie fragte sich, ob die Prozessoren in den älteren Abschnitten der Kuppel vielleicht weniger effizient arbeiteten.
Auf einem Eckgrundstück ganz am Ende des Blocks stand ein Haus mit offenen Türen. Ekaterinas Herz pochte heftig. Entweder war das Haus verlassen, oder jemand hatte es bewusst so hinterlassen, vielleicht um Landstreicher anzulocken – oder flüchtige Personen.
Alles, was sie wusste, war, dass sie bald würde innehalten müssen. Sie war nicht sicher, wann sie das letzte Mal geschlafen hatte, und sie fing an, während des Gehens in Sekundenschlaf zu fallen. Irgendwann würde ihr Körper sie zu einer Pause zwingen, ob sie wollte oder nicht – und das könnte er gleich hier draußen im Freien tun, wo jeder sie sehen konnte.
Falls sie aber eine Zuflucht fand, und sei es auch nur für ein paar Stunden, wäre sie bald erfrischt genug, um weiterzuziehen. Oder, wie ihre Großmutter zu sagen pflegte: Der Körper kommt ohne Nahrung oder ohne Schlaf zurecht, aber nicht ohne Nahrung und ohne Schlaf. Und auch nicht ohne Wasser. Ekaterina dehydrierte, und sie wusste es.
Sie musste sich schonen, und sie musste es bald tun.
Flach atmend näherte sie sich dem Haus, und ihr Herz schlug so laut, dass sie sicher war, die Leute mussten es noch mehrere Blocks entfernt hören können. Drinnen rührte sich nichts – zumindest hörte Ekaterina nichts.
Das Letzte, was sie wollte, war, einen Ort voller Mittelloser aufzusuchen. Die konnten verrückt sein, gewalttätig oder beides. Als sie vor fast einem Jahrzehnt das letzte Mal in Armstrong gewesen war, hatte die Stadt große Probleme mit Armut gehabt, und
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