Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miles Flint 01 - Die Verschollenen

Miles Flint 01 - Die Verschollenen

Titel: Miles Flint 01 - Die Verschollenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
Vom Netzwerk:
fürchtete, er könnte ihn zwischen den Fingern verlieren. Er drückte ihn und legte ihn ab, als seine eigene Stimme den Raum erfüllte.
    Darf ich hereinkommen?
    Er trat in den Korridor hinaus, schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Die Emotionen verschwanden, als wären sie nie da gewesen; nur sein Herz raste noch und seine Atmung war unstet.
    Kein Wunder, dass die Ausbildung für den Umgang mit den Wygnin so umfangreich war. Er war keine zehn Minuten dort drin gewesen, und er hatte sie und sich schon kaum noch auseinanderhalten können.
    Flint fragte sich, wie gut die Leute ausgebildet waren, die nach Korsve geschickt wurden. Wenn sie nicht darauf vorbereitet waren, mit den Wygnin zurechtzukommen, wie konnten sie dann wissen, ob ihr Handlungsweise wirklich ihre eigene war? Hatte je irgendjemand versucht herauszufinden, wie viele Manipulationen über die Jahre auf das Konto der Wygnin gingen? Und was war mit den Geständnissen, die Menschen vor Wygningerichten über Dinge abgaben, die in den Augen der Wygnin als Verbrechen galten? Warum akzeptierten die Multikulturellen Tribunale derartige Geständnisse? Waren diese Geständnisse nicht unter Zwang abgelegt worden, eine Vorgehensweise, die Menschen schon seit Jahrhunderten nicht mehr akzeptierten?
    Flint schauderte. Die letzten paar Tage hatten viel von dem Glauben zerstört, den Flint bezüglich der Richtigkeit seiner Arbeit gehegt hatte. So konnte er nicht weitermachen. Er konnte keine Gesetze durchsetzen, die ihm nicht gefielen, keine Verbrechen aufklären, die er nicht als solche betrachtete.
    Es war falsch von Disappearance Inc. die Kundendaten zu verkaufen, aber das Gesetz, sagte, dass es richtig sei. Das Unternehmen zerstörte Hunderte, vielleicht Tausende von Leben, die so oder so schon unter einem Justizsystem gelitten hatten, das anscheinend alle kulturellen Standards als vollkommen normal akzeptierte, nur nicht die, die Flint für die besten hielt.
    Waren es die besten? Er wusste es nicht. Aber er wusste, dass es falsch war, ein Kind für die Verbrechen seines Vaters zahlen zu lassen, ganz gleich, wie ruchlos diese auch gewesen sein mochten. Er wusste, dass es ebenso falsch war, einen Achtjährigen zu zwingen, auf seine Mutter zu verzichten, weil sie nicht gewusst hatte, dass sie ihr Haus an einem verbotenen Ort erbaut hatte, und er wusste, dass es wiederum falsch war, eine Frau zu zwingen, den Rest ihres Lebens rückenschädigende Arbeiten zu verrichten, nur weil sie erfolgreich einen Verbrecher verteidigt hatte.
    Jemand öffnete die Tür. Flint drehte sich um. Die Dolmetscherin stand auf der Schwelle. Sie schien zu schwanken, genau wie die Wygnin. Flint fragte sich, ob sie ahnte, dass sie ihm unter all den Wesen im Konferenzzimmer am fremdesten erschien.
    »Wir haben alles gehört«, sagte sie.
    Für einen Moment fühlte er ein Aufwallen von Sorge, das allein ihm gehörte und seiner Unsicherheit entstammte, wie die Wygnin wohl auf die Worte reagieren würden, die er in diesem Hotelzimmer gesprochen hatte. Flint hatte versucht, behutsam vorzugehen, aber jeder, der mit der menschlichen Ausdrucksweise vertraut war, mochte die Botschaft verstehen, die er Jamal Kanawa überbracht hatte.
    Und andererseits vielleicht auch nicht. Flint hatte zuerst Fragen gestellt und ihnen erst danach erzählt, es stünde ihnen frei zu gehen. Diese beiden Dinge schienen nichts miteinander zu tun zu haben.
    Er nickte der Dolmetscherin zu und stellte sich aufrecht hin, ohne sich an die Wand zu lehnen. Schon konnte er die Emotionen der Wygnin wieder spüren, aber sie schienen schwächer zu sein. Oder er hatte bereits gelernt, wie er mit ihnen umgehen konnte.
    Er trat ein. Bisher war ihm nicht aufgefallen, dass der Raum in einem hellen Braunton gehalten war und die Luft milde nach dem Fliederduft roch, den die Dolmetscherin als Parfüm benutzte. All diese Details waren in der Anstrengung untergegangen, die ihm die Emotionen der Wygnin auferlegt hatten.
    Die Dolmetscherin setzte sich. Flint ging zu seinem Platz am entgegengesetzten Ende des Tischs. Die Wygnin hatten sich nicht bewegt, und der Chip lag noch da, wo er ihn hingelegt hatte.
    »Ihre Erwähnung der Verschwindedienste ist erstaunlich«, sagte einer der Wygnin. »Ihnen ist klar, dass derartige Dinge illegal sind?«
    Flints Mund war wie ausgetrocknet. »Natürlich, und das ist auch der Grund, warum wir in dieser Woche so viel zu tun hatten. Abgesehen von Ihren beiden Fällen hatten wir noch einen Disty-Rachemord und

Weitere Kostenlose Bücher