Miles Flint 02 - Die Lautlosen
beschloss sie offensichtlich, ihn nicht noch einmal zu öffnen. Stattdessen wirbelte sie auf einem dieser unbequemen hohen Absätze herum, rauschte aus dem Büro hinaus und warf die Tür so heftig ins Schloss, dass die Permaplastikwände bebten.
Flint schaltete den Überwachungsmonitor ein. Krouch stand draußen mit dem Rücken zur Tür, als versuche sie, sich zu entscheiden, ob sie zurückkommen sollte oder nicht. Er lächelte. Sie hatte gedacht, es wäre einfach, ihn zu beauftragen, und er fragte sich, ob dies der erste Auftrag war, den sie nicht zur Zufriedenheit ihrer mächtigen Bosse hatte erledigen können.
Einen Moment später stolzierte sie von dannen und verließ die Sicherheitszone so schnell, wie sie sie betreten hatte. Er sah sie noch kurz mit ihrem Rock kämpfen, ehe sie um eine Ecke bog und den Aufzeichnungsbereich seiner Überwachungsanlage verließ.
Flint lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Etwas an diesem Zusammentreffen beunruhigte ihn. Eigentlich sollte er sich wieder seiner Lektüre widmen – immerhin hatte er den Fall gerade abgelehnt –, aber er war zu neugierig.
Warum hatte sich WSX an ihn gewandt? Und warum hatten sie jemanden wie Krouch geschickt, jemanden, dessen Identität sich bei einer gewöhnlichen Bild-ID-Suche nicht nachweisen ließ?
Wollten sie ihn dazu bringen, dass er gegen die Kanzlei ermittelte? Aber warum sollten sie das tun?
Der einzige Grund, den er sich vorstellen konnte, war, dass sie seine Ermittlungen als Hintertür zu seinen Sicherheitssystemen missbrauchen wollten. Aber es konnte auch noch hundert andere Gründe geben, und herauszufinden, was tatsächlich dahintersteckte, würde einige Nachforschungen erforderlich machen.
Flint überprüfte seine Systeme. Bis jetzt keine Schwachstellen. Er hatte alles auf höchste Empfindlichkeit gestellt, sodass er auf jeden Fall davon erfahren würde, sollte jemand versuchen, sich Zugang zu seinen Daten zu verschaffen.
Dann stand er auf. Er würde ein öffentliches Portal aufsuchen, um Nachforschungen über Astrid Krouch und WSX anzustellen. Und vielleicht, nur vielleicht, würde er herausfinden, was sie im Schilde führten.
2
N oelle DeRicci erreichte den Außenbereich des Zuschauerraums vor dem Marathongelände und zupfte am Ärmel ihres Umweltanzugs. Der Anzug war noch nicht aktiviert, die Haube heruntergeklappt, aber er fühlte sich heiß an.
DeRiccis neuester Partner, Leif van der Ketting, hatte den Luftwagen vor dem Schild mit der Aufschrift Parken während der Sonderveranstaltung verboten abgestellt und bemühte sich gerade, seinen Umweltanzug vom Rücksitz zu klauben. Wie alle Partner, die DeRicci in den letzten Jahren gehabt hatte, war auch er ein frisch gebackener Detective, und dies war der erste Fall, der ihn offiziell aus der Kuppel herausführen würde.
Der Glückliche. Für ihn würde es ein Abenteuer sein, durch die geringe Schwerkraft zu hüpfen und um Felsen herumzuspazieren, die die meisten Mondbewohner niemals berühren durften. Aber der Glanz des Neuen würde schon bald verblassen – besonders, wenn die Veranstalter des Marathonlaufs immer noch so unkooperativ sein sollten wie in der Vergangenheit.
Van der Ketting würde noch weitere fünf Minuten brauchen, um sich darauf vorzubereiten, die Kuppel zu verlassen. DeRicci wandte sich von ihrem Kollegen ab und ließ stattdessen ihren Blick über die Menge schweifen.
Etliche Tausend Leute saßen auf der offenen Tribüne, die extra für den Marathon aufgebaut worden war. Den Zuschauern war es nicht gestattet, die Kuppel zu verlassen, und so mussten sie den Großteil des Rennens per Liveübertragung verfolgen, wie alle anderen auch. Aber die Tribüne bot ihnen einen perfekten Blick auf die Ziellinie und versetzte sie in die Lage, selbst zu sehen, wie ihre Favoriten hinüberstolperten – oder, wie es meist der Fall war, sprangen.
Tausende weiterer Zuschauer verfolgten die Liveübertragung in Hotelzimmern oder Bars überall in Armstrong. Diese Leute hatten sich keinen Platz auf der Tribüne leisten können, wollten aber dennoch an der ganzen Aufregung teilhaben. Armstrong war vollgestopft mit Fremden – jedes Hotelzimmer belegt, jede denkbare Unterkunft vermietet –, und sie alle wollten etwas von dem Marathon erleben, und sei es noch so wenig.
DeRicci hatte nie verstanden, warum irgendjemand diese Sportart als Zuschauer verfolgen sollte. Sie sah ein, dass die Leute sich den Armstrongmarathonlauf ansahen, der jeden Herbst abgehalten wurde –
Weitere Kostenlose Bücher