Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Jemand war gestorben, und zwar unter merkwürdigen Umständen. Die ursprünglichen Daten hatten angedeutet, dass eine gesunde Person den Panikknopf gedrückt hatte. Entweder stimmte etwas nicht mit der Auslesung der Biodaten, oder ein Läufer war über die Leiche eines anderen Läufers gestolpert. Buchstäblich.
Es gab nur wenige Fälle, in denen den Läufern keine Zeit blieb, den Panikknopf zu drücken. Plötzlicher Druckabfall im Anzug stellte dabei die schlimmste Möglichkeit dar. Aber solche Todesfälle waren abscheulich und kaum zu übersehen. Normalerweise redeten die Leute über derlei Vorfälle, umso mehr Zivilisten wie Läufer, die die Leiche passiert haben mussten.
Aber niemand hatte ein Wort darüber verloren.
Und das fand Oliviari noch seltsamer als alles andere.
4
F lint saß in einem vernetzten Studentencafe, drei Blocks vom Campus der Kuppeluniversität von Armstrong entfernt. Paloma hatte ihm das Café gezeigt. Es bot armen Studenten, deren Familien sich die Standardmodifikationen nicht leisten konnten, einen Zugang zum Datennetz. Das Café wurde durch Subventionen und Zuschüsse finanziert. Hinzu kam das Geld zahlender Kunden wie Flint, der eine Lieblingsecke in einer Nische gleich neben den Waschräumen gefunden hatte.
Durch ihre Lage war die Nische normalerweise nicht besetzt und folglich recht intim. Die Schirme hier waren kleiner als in den anderen Nischen, und die Stimmeingabe funktionierte aufgrund eines leichten Echoeffekts nicht, den abzustellen das Café sich nicht leisten konnte.
Die Schirme waren mit Touchscreens ausgestattet, aber für einen kleinen Aufpreis stellte das Café auch eine Tastatur zur Verfügung. Flint nutzte hier jedoch die Touchscreens. Er sah keinen Sinn darin, irgendwelche Aufmerksamkeit zu erregen.
Allerdings trug er Handschuhe. Ein durchsichtiges, hautenges Paar, das mit bloßem Auge nicht zu erkennen war. Sie wiesen sogar Furchen an den Fingerspitzen auf, sodass sie wie reale Finger erschienen, da viele Touchscreens nicht reagierten, wenn man sie mit einem Handschuh bedienen wollte.
Flint hatte sich diesen Ort ausgesucht, um Nachforschungen über Astrid Krouch und WSX anzustellen, weil das Café weit von seinem Büro entfernt lag. Irgendwann würde WSX die Anfragen bemerken, aber das System der Kanzlei würde eine Weile brauchen, um herauszufinden, dass diese Anfragen von Flint stammten.
Da das Café in der Nähe der Universität lag, mochte das System Flints Anfragen sogar vollständig ignorieren. Viele Studenten stellten Nachforschungen über Anwaltskanzleien an, ehe sie eine Bewerbung einreichten. Das Einzige, was das System über Flints Anwesenheit stolpern lassen mochte, war die Erwähnung von Alice Krouch.
Er brachte einige Minuten damit zu, Informationen über WSX zu lesen, fand jedoch nur Werbematerial und Protokolle von Prozessen, die die Kanzlei geführt hatte. Rasch erkannte er, dass ihn diese spezielle Suche nirgendwohin führen würde.
Also widmete er sich stattdessen Alice Krouch.
Schon aus Neugier beschloss er herauszufinden, warum Alice Krouch sich in den letzten Jahren so bedeckt gehalten hatte. Normalerweise taten Anwälte – und seien sie noch so grün – alles, um so viel Publicity wie möglich zu ergattern. Aber Krouch nicht.
Arbeitete sie daran, zu einer der Geheimwaffen ihrer Kanzlei zu werden, einer jener talentierten Anwälte, die neu im Geschäft zu sein schienen, sich dann aber als absolut überlegen erwiesen? Waffen wie diese zündeten nur ein paar Mal, aber in wichtigen Fällen waren sie überaus nützlich.
Flint fand lediglich Schulakten, ihre Familiengeschichte und einen Lebenslauf. Seit Astrid Krouch die Arbeit in der Kanzlei Wagner, Stuart und Xendor aufgenommen hatte, hatte sie scheinbar jegliches Interesse daran verloren, an ihrem öffentlichen Profil zu feilen.
Hinter Flint tauchte eine Gestalt auf, deren Bild sich auf dem Touchscreen spiegelte. Flint drückte auf den unteren Abschnitt auf der rechten Seite, um die Anzeige zu löschen.
Ein Mann blieb neben Flints Tisch stehen. Der Mann war fleischig, die Arme so mächtig, dass die Ärmel seines schwarzen Anzugs sie kaum zu bändigen vermochten. Sein Gesicht wies die runden Wangen einer Person auf, die zur Fettleibigkeit neigte. Er sah aus, als würde er Schlankheitsverstärker benutzen, um sein Gewicht unter Kontrolle zu halten. Aber wie so viele Leute, die sich diese Art von Modifikationen leisten konnten, aß auch er offenbar nur noch mehr, nachdem sie
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