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Miles Flint 02 - Die Lautlosen

Miles Flint 02 - Die Lautlosen

Titel: Miles Flint 02 - Die Lautlosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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hatte sie den perfekten Job gehabt: Sie konnte selbst entscheiden, für wen sie arbeitete und warum; sie war nie gezwungen, harte, moralisch einschneidende Entscheidungen zu treffen – das hatte sie anderen überlassen können –, und sie konnte Leute retten, wenn sie der Meinung war, dass sie gerettet werden mussten.
    Paloma hätte nie das Leben anderer in Gefahr gebracht, nicht einmal versehentlich, und sie hatte die Chance, Familien zu helfen, wieder zusammenzukommen, statt sie auf der Basis geltender Gesetze dazu zu nötigen, getrennte Wege zu gehen.
    Flint legte sacht die Finger auf die Tasten, drückte sie aber nicht, sondern starrte nur auf den leeren Monitor.
    Paloma hatte ihn gewarnt. Du siehst den Beruf des Lokalisierungsspezialisten zu romantisch, Miles, hatte sie gesagt. Du musst begreifen, dass von nun an nichts mehr einfach oder geradlinig sein wird.
    Als sie das zu ihm gesagt hatte, hatte er geglaubt, sie würde sich irren. Die Entscheidungen, die er in den letzten Tagen als Detective gefällt hatte – die waren ihm durchaus leicht und geradlinig vorgekommen. Er hatte Leben gerettet, unzählige Leben, und bei dieser Arbeit hatte er sich gut gefühlt.
    Dann war er hierher gekommen, um diese Arbeit fortzusetzen, weil er Sir Galahad hatte sein wollen, ein Held aus alten Tagen.
    Flint hatte stets ein Faible für Heldengeschichten gehabt, hatte sie sogar seiner Tochter vor dem Einschlafen vorgelesen. Seine Frau hatte ihn ausgelacht und erklärt, Emmeline sei zu jung, um zu verstehen, was er sagte; aber er hatte geglaubt, dass diese Geschichten schon in früher Kindheit einen gesunden Grundstein für Emmelines Leben als erwachsene Frau legen würden.
    Ein Leben, dass sie niemals gehabt hatte.
    Flint nahm die rechte Hand von der Tastatur und wischte sich das Gesicht ab. Eine Schweißschicht bedeckte seine Haut, obwohl er die Raumtemperatur gesenkt hatte.
    Emmeline. Wie war er von ethischen Fragen über Paloma zu Emmeline gekommen?
    Vielleicht waren Ethik und Moral in seinem Geist mit dem kurzen Leben seiner Tochter verknüpft, das so tragisch geendet hatte. Vielleicht lag es an den Schuldgefühlen, die ihr Tod in ihm geweckt hatte – angefangen mit dem Versäumnis, die Kindertagesstätte sorgfältiger zu überprüfen, bis hin zu dem Unvermögen zu begreifen, wie aus einem Unfalltod der erste Mord hatte werden können, als jeder hatte erkennen müssen, dass Emmelines Tod der zweite gewesen war.
    Wie furchtbar mussten diese letzten paar Minuten für sie gewesen sein, gehalten von jemandem, der größer und stärker war, jemandem, der wütend war und sie geschüttelt hatte …?
    Flint erhob sich, atmete abgehackt und keuchend. Wieder ging er zur Tür, doch dieses Mal wanderte er nicht umher; er versuchte lediglich, sich so weit wie möglich von seinem Schreibtisch zu entfernen, von dem Ort, an dem seine Gefühle einen fiebrigen Punkt erreicht hatten – als wäre der Schreibtisch der Auslöser dafür und nicht er selbst.
    Vielleicht wollte er gar nicht arbeiten, um ethischen und moralischen Ansprüchen zu genügen. Vielleicht wollte er nur die Kleinen, die Hilflosen und Uniformierten vor Größeren, Stärkeren und Zornigeren beschützen. Vielleicht versuchte er nur, ein Unrecht wiedergutzumachen – ein Unrecht, dass niemals berichtigt werden konnte.
    Flint zwang sich, gleichmäßig zu atmen. Seine eigenen Motive zu untersuchen, würde ihm jetzt nicht weiterhelfen. Sie würden ihn nur noch mehr durcheinanderbringen.
    Zum ersten Mal, seit er Palomas Laden übernommen hatte, wirkte sich ihre Vergangenheit auf ihn aus. Sie hatte ihm stets gepredigt, er dürfe keine Entscheidungen treffen, solange er nicht alle verfügbaren Informationen eingeholt hatte.
    Das größte Problem an diesem Nachmittag war jedoch, dass Paloma sich weigerte, ihre Informationen mit ihm zu teilen, Informationen, die ohne jeden Zweifel etwas mit Wagners Beharrlichkeit zu tun hatten, Flint für diesen Job zu engagieren – wie immer der Job auch aussehen mochte.
    Flint strich sich mit der Hand durchs Haar. Schweiß hatte sich in seinen Locken gesammelt, aber ihm war nicht heiß; er war nur nervös.
    Er hatte sich Paloma gegenüber stets verpflichtet gefühlt, verpflichtet in einer Weise, die sich auf alles bezog, was er tat: Er nutzte ihre Systeme, ihr Büro, ihre wohl formulierten Vertragstexte. In mancher Hinsicht fühlte er sich wie eine Art Platzhalter, jemand, der ihr Geschäft führte, während sie sich eine dringend benötigte

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