Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Auszeit gönnte.
Du musst lernen, auf deinen eigenen Beinen zu stehen, hatte sie zu ihm gesagt. Lokalisierungsspezialisten arbeiten allein.
Er seufzte. Flint hatte Paloma versprochen, nicht in ihren alten Fällen herumzuschnüffeln, aber das war ein Versprechen, das er nicht würde halten können.
Vielleicht hatte sie das von Anfang an gewusst. Vielleicht war das der Grund dafür, warum sie die verbliebenen Daten mitgenommen hatte.
Wie dem auch sei, hätte sie auf Nummer Sicher gehen wollen, so hätte sie das ganze Büronetzwerk bis hin zu sämtlichen Sicherheitssystemen entfernen müssen. Flint würde in diesem System die Spuren von allem finden, was sich darin verbarg, umso mehr jetzt, da er es besser kannte als sein ursprünglicher Programmierer.
Paloma wusste, wie gut er im Umgang mit Computern war. Sie hatte ihm einmal erzählt, dass seine Fähigkeiten in Bezug auf Computer ihn zu einem besseren Lokalisierungsspezialisten machen könnten, als sie es je hatte werden können. Vielleicht hatte sie von den Geisterdateien im System gewusst und damit gerechnet, dass er sie finden würde.
Aber er musste aufhören, darüber nachzudenken, was Paloma wollen könnte. Sie würde nie erfahren, was er tat, wie er sein Geschäft führte und warum er bestimmte Entscheidungen fällte, es sei denn, er erzählte es ihr.
Und er würde es ihr nicht erzählen. Nicht mehr. Flint stand nun auf eigenen Beinen. Er brauchte keine Lehrerin mehr, und eine enge Freundin konnte er sich nicht leisten – jedenfalls keine, die von seiner Arbeit wusste.
Flint kehrte an den Computer zurück. Er würde alle Geisterdateien wiederherstellen, die Paloma im System zurückgelassen hatte, und dann würde er sie an einem besonderen Ort speichern, einem Ort, an dem zu suchen niemandem in den Sinn kommen würde. Und danach würde er sie endgültig aus dem System löschen.
Das war der erste Schritt.
Der zweite Schritt war einfacher. Er würde die Dateien lesen, die etwas mit WSX zu tun hatten, aber er würde keine anderen Dateien lesen. Er würde nicht in den Daten herumschnüffeln, solange die Situation es nicht unbedingt erforderte.
Aber er hatte das Gefühl, dass dies nicht die einzige Gelegenheit bleiben würde, zu der sich Palomas Vergangenheit auf seine Gegenwart auswirkte. Wenn es notwendig war, und nur dann, würde er alles nutzen, was sie ihm hinterlassen hatte.
Und an diesem Nachmittag war es notwendig.
Flint atmete tief durch und setzte sich auf seinen Stuhl. Die Ruhelosigkeit war fort. Nun musste er sich darauf konzentrieren, mit der Arbeit fertig zu werden, bevor Wagner zu seinem Termin eintraf.
11
D eRicci stand in dem Bungalow, hatte die Haube abgenommen und den Umweltanzug abgelegt. Schweiß benetzte ihren Körper, und ihre Wangen fühlten sich erhitzt an. Sie wünschte, sie könnte ihre Kleidung loswerden, aber sie wusste, dass sie dazu noch lange keine Gelegenheit haben würde.
Chaiken, Lakferd und fünf andere Organisatoren des Rennens hatten sich um sie herum versammelt. Sie konnte schon jetzt ihren Zorn spüren; dabei hatte sie noch gar nicht mit ihnen gesprochen. Vielleicht fühlte sie aber auch nur ihren eigenen verhaltenen Ärger, den sie schon seit dem Gespräch mit ihrer Vorgesetzten im Zaum halten musste.
Kurz bevor sie den Bungalow betreten hatte, hatte DeRicci Kontakt zu Gumiela hergestellt. Angesichts dieser so komplizierten Untersuchung – ein Mordfall während eines Marathonlaufs – hatte DeRicci darum gebeten, den Fall jemand anderem zu übertragen. Jemandem mit diplomatischem Geschick, politischem Spürsinn und ein wenig Einfluss.
Jemandem, der DeRicci so fern war wie nur irgend möglich.
Gumiela hatte ihr Anliegen abgeschmettert. Eine jüngere, naivere DeRicci wäre freudig erregt gewesen, auch weiter für diese Untersuchung zuständig zu sein. Die ältere, zynischere DeRicci hingegen wusste, dass sie diese Aufgabe nur bekommen hatte, weil die Stadt so die Möglichkeit hatte, sie für jede Härte, jeden unbequemen Zug verantwortlich zu machen. Womöglich würde sie sogar gefeuert werden, sollte sie ihre Arbeit zu gut machen … vor allem, falls sich herausstellen sollte, dass die Veranstalter des Marathons irgendeine Schuld am Tod der Frau trugen, die noch immer auf dem Regolith lag.
Die Liveübertragung des Rennens konzentrierte sich inzwischen auf die Ziellinie. Rudelweise wurde sie von Läufern mit hoch erhobenen Armen überquert.
DeRicci fand es erstaunlich, dass sie alle, gleich wie
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