Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Sollte ihm das Probleme bescheren, konnte er ihr folglich auch keine Vorwürfe machen.
Sie hatten ihn von Anfang an gewarnt.
Flint drückte auf eine Taste seiner Tastatur und stellte das Belüftungssystem seines Büros auf eine höhere Stufe ein. Er wollte wach und aufmerksam bleiben; frische, kalte Luft würde ihm dabei helfen.
Nachdem er die Lufttemperatur abgesenkt hatte, stand er auf und marschierte im Raum auf und ab. Palomas Verschwiegenheit in Bezug auf Wagner, Stuart und Xendor, Ltd. bereitete ihm Sorgen. Sollte sie versucht haben, Informationen vertraulich zu behandeln und ihm etwas zu sagen, ohne Geheimnisse zu offenbaren, wäre er ihr gewiss nicht böse.
Aber sie hatte andere Dinge angedeutet: eine Geschäftsbeziehung mit dieser Kanzlei, die weit über das hinausging, was ein Lokalisierungsspezialist ihren Aussagen nach tun durfte.
Ein ähnliches Gefühl hatte ihm Ignatius Wagner vermittelt – das Gefühl, dass die Beziehung zwischen Paloma und WSX ihn irgendwie auf den Gedanken gebracht hatte, Flint würde sich als flexibler Geschäftspartner erweisen.
Und vielleicht würde er das auch. Er war nie dafür bekannt gewesen, Regeln buchstabengetreu zu befolgen – jedenfalls nicht, als er noch Detective gewesen war. Seit er als Lokalisierungsspezialist arbeitete, hatte er sich geradezu sklavisch an die Regeln gehalten; Paloma hatte ihm böse Konsequenzen prophezeit, sollte er das nicht tun.
Aber hatte sie ihn in Wahrheit vielleicht gelehrt, der Lokalisierungsspezialist zu sein, der sie stets hatte sein wollen, aber nie gewesen war? Hatte sie all diese Regeln gebeugt, von denen sie sagte, sie dürften nicht gebeugt werden? War das der Grund, warum sie die Konsequenzen kannte?
Neben der Tür hielt Flint in seiner Wanderung inne und steckte die Hände in die Taschen. Er wusste, sie würde ihm nie davon erzählen, sollte sie diese Fehltritte begangen haben, und sie hatte ihm klar gemacht, dass sie ihm auch über WSX nichts weiter sagen würde.
Flint musste einen Weg finden, um herauszubekommen, was sie mit der Kanzlei zu tun gehabt hatte, einen einfachen, direkten Weg, einen, den er bisher gemieden hatte.
Paloma hatte ihm das Versprechen abgenommen, dass er nie in ihren Fällen herumschnüffeln würde. Die Dateien, die sie hatte aufbewahren wollen, hatte sie mitgenommen. Die meisten Informationen, die sie zusammengetragen hatte, hatte sie ihren eigenen Worten zufolge nie niedergeschrieben.
Aber diese letzte Aussage musste eine Lüge sein. Paloma war eine überzeugte Berichtschreiberin: Rechnungsberichte für ihre Auftraggeber und, je nach Fall, ein Abschlussbericht. Natürlich hatte sie erklärt, dass ihre Berichte nicht immer korrekt waren – dass sie gar nicht korrekt sein könnten, weil sie manche Geheimnisse nicht offenbaren durfte –, aber, so hatte sie hinzugefügt, sie enthielten stets ein Körnchen Wahrheit.
Gelöschte Berichte hinterließen Geisterdateien.
Flint hatte das bereits gewusst, als Paloma ihm erstmals von ihrem System erzählt hatte, und er hatte sich schon damals gefragt, ob sie wusste, dass sie überall im internen Netz Spuren ihrer Arbeit hinterlassen hatte. Paloma war im Umgang mit Computern nicht so gut wie er; sie wusste viel, aber sie wusste nicht alles.
Flint ging zu seinem Schreibtisch, setzte sich und dehnte seine Finger über der Tastatur. Palomas Frage verfolgte ihn immer noch. Warum arbeitete er noch? Er brauchte das Geld nicht.
Flint hatte ihr erzählt, er wolle nützlich sein, aber das war nicht wahr. Er hatte das Gefühl, dass alles – richtig und falsch, gut und böse – durch die Vereinbarungen zwischen den bekannten Welten auf den Kopf gestellt worden war. Leute wurden für Taten bestraft, in denen sie keine Verbrechen hatten erkennen können, für Dinge, die, auch wenn sie gewusst hätten, dass sie unter Strafe standen, nach menschlichen Maßstäben niemals als Verbrechen angesehen würden.
Flint war gezwungen gewesen, diesen Regeln Geltung zu verschaffen, was manchmal bedeutet hatte, Kinder für die Verbrechen ihrer Eltern zu opfern, und manchmal, Leute in den Tod zu schicken, weil sie über den falschen Grund und Boden marschiert waren.
Flint hatte den Pfad seiner Zukunft betrachtet und gesehen, wie seine eigene Moral verdreht wurde, gefühlt, welche Verbitterung einem Mann drohte, der ständig gezwungen wurde, Dinge zu tun, an die er nicht glauben konnte.
Er war Lokalisierungsspezialist geworden, weil er Paloma beobachtet hatte. In seinen Augen
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