Miles Flint 02 - Die Lautlosen
streckte sich und reckte die Hände der Zimmerdecke entgegen. Die Muskeln in seinem Rücken schmerzten – er hatte zu lange in unveränderter Haltung zugebracht –, und seine Wirbelsäule gab hier und dort ein leises Krachen von sich.
Vielleicht war alles genauso, wie Wagner gesagt, hatte; vielleicht waren sie zu Flint gekommen, weil es eine Verbindung zwischen ihm und Paloma gab, weil er neu war und weil er Kontakte zum Polizeidepartment hatte.
Flint setzte sich wieder. Er wollte noch eine Sache ausprobieren: Er suchte nach den Dateien, in denen Ignatius Wagner erwähnt wurde. Das System brauchte einen Moment, um alle zu finden, was Flint seltsam vorkam.
Wieder blickte er zur Uhr. Ihm blieben nur noch fünfzehn Minuten, bis er sein Büronetz wieder aktivieren musste, sodass Wagner sein Büro betreten konnte.
Mit einem leisen Fluch auf den Lippen wünschte sich Flint, er hätte mehr Zeit.
Dann beendete das System die Suche. Es hatte Tausende von Dateien gefunden, in denen Ignatius Wagner aufgeführt wurde.
Flint starrte das Suchergebnis an. Er konnte es nicht glauben. Warum sollte Paloma so viele Informationen über Wagner gespeichert haben? War das der Grund, warum sie ihn gewarnt hatte?
Flint öffnete einige der Dateien aufs Geratewohl, um die Korrektheit des Suchergebnisses zu überprüfen. In jeder Datei fiel Wagners Name, und als Flint immer mehr und mehr Dateien öffnete, wurde ihm kalt.
Paloma hatte Informationen über Wagner gesammelt, als wäre er ein Klient oder ein Verschwundener. Sie hatte vermerkt, an welchem Tag er um welche Zeit an seinem ersten Schultag sein Zuhause verlassen hatte, hatte den Tag seines ersten Kusses notiert und den Ort, an dem er seine erste Arbeitsstelle angetreten hatte.
Paloma wusste vermutlich mehr über Ignatius Wagner als seine eigenen Eltern.
Zu seiner Information überflog Flint noch einige der jüngeren Dateien. Wagner war Claudius Wagners jüngster Sohn und hatte es in der Kanzlei noch nicht zum Partner gebracht, als Paloma die letzte Eintragung vorgenommen hatte. Er war stets eigenwillig gewesen und hatte Probleme damit gehabt, den Richtlinien von WSX Folge zu leisten. Zur Strafe hatte sein Vater Ignatius’ Partnerschaft in der Kanzlei nicht vorangetrieben.
Anders als sein Bruder würde sich Ignatius seinen Platz in dem Unternehmen hart erarbeiten müssen.
Offenbar hatte er sich seinen Platz inzwischen erobern können, denn in den Informationen, die Flint über Ignatius eingeholt hatte, wurde er bereits als Partner geführt. Aber Palomas Dateien verrieten, dass Ignatius mit der Richtung, die WSX eingeschlagen hatte, nicht glücklich war. Es hatte offenbar Machtkämpfe innerhalb von WSX gegeben, an denen beide Brüder beteiligt gewesen waren.
Das Wecksignal von Flints Computer gab einen Piepton von sich. Fünf Uhr dreißig. Zeit, das System wieder hochzufahren.
Flint legte die Stirn in Falten. Er lag mit seinen Nachforschungen weiter zurück, als er erwartet hatte. Aber er hatte keine echte Wahl. Nun, da er mit Paloma gesprochen hatte, da er all diese Akten gefunden und einen Teil der angesammelten Informationen gesichtet hatte, wollte er Wagner wieder treffen.
Flint verschob die Dateien in eine private Sektion seines Dateisystems, wohl wissend, dass er ein besseres Versteck für all diese Informationen würde finden müssen, dass er aber an diesem Nachmittag nicht genug Zeit dafür hatte. Er würde sich darum kümmern, sobald Wagner wieder gegangen war.
Flint versiegelte die private Sektion und startete das System neu, woraufhin alle Links zur Außenwelt reaktiviert wurden. Er hatte einen Haufen Arbeit vor sich. Womöglich musste er die ganze Anlage überholen oder ein vollständig neues System implementieren, das ausschließlich seinen Vorstellungen entsprang.
Glücklicherweise hatte er bisher noch nicht viele Fälle bearbeitet, und er war vorsichtig mit der Art der Berichte gewesen, die er geschrieben hatte; daher sollte er selbst nicht allzu viele Geisterdateien im System hinterlassen haben.
Flint hatte gerade beschlossen, doch noch ein bisschen mehr über Wagner zu lesen, als sein Perimeteralarm ausgelöst wurde.
Das Sicherheitsfenster öffnete sich und zeigte ihm eine Luftlimousine an, die etwa zwei Meter über dem Boden schwebte und sich sehr langsam bewegte, so, als hielte der Fahrer nach etwas Ausschau.
Flint warf einen Blick zur Uhr. Fünf Uhr fünfunddreißig. Leute wie Wagner kamen selten zu früh zu einer Verabredung. Sicherheitshalber
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