Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Den Blick gesenkt, schüttelte er den Kopf. »Vermutlich hätte ich gar nicht angehalten, aber ich habe den Anzug erkannt …«
Seine Lippen wurden schmaler, und seine Schläfen röteten sich, als würde er mit den Tränen kämpfen. DeRicci hoffte, dass die Aufzeichnung, die sie anfertigte, auch so winzige Details einfangen würde. Später mochten diese Dinge sich durchaus noch als bedeutsam erweisen.
Coburn hielt den Kopf gesenkt, und nach einem Moment erkannte DeRicci, dass er nicht weitersprechen würde.
»Und dann, Mr.. Coburn?«
»Hmmm?« Er blickte auf, und seine Augen waren stärker gerötet als noch vor einem Augenblick.
»Sie haben ihren Anzug erkannt. Und dann?«
»Habe ich angehalten.« Er sprach, als gebe es nichts Offensichtlicheres. »Ich habe mich gebückt, um zu sehen, ob sie in Ordnung ist, und dann habe ich ihr Gesicht gesehen.«
Jeder, der einen Blick in dieses Gesicht geworfen hatte, musste sofort gewusst haben, dass sie tot war; aber DeRicci drang weiter in ihn, nicht nur, um Coburn zu zwingen, banale Selbstverständlichkeiten in Worte zu fassen, sondern auch, um herauszufinden, über welchen Wissensstand er verfügte.
»Was war mit ihrem Gesicht, Mr.. Coburn?«
»Haben Sie es etwa nicht gesehen?« Seine Stimme war nun lauter. »Ich dachte, Sie wären für die Ermittlungen verantwortlich. Hat man sie Ihnen nicht gezeigt?«
»Ich möchte nur, dass Sie mir erzählen, was Sie gesehen haben.« DeRicci achtete sorgfältig darauf, in ruhigem Ton zu sprechen. Sie machte keine schnellen Bewegungen, tat nichts, was Coburn noch weiter aus der Ruhe hätte bringen können.
»Sauerstoffentzug.« Er spie das Wort förmlich aus. »Sie ist an Sauerstoffentzug gestorben, und das ist einfach nicht möglich.«
DeRicci bemühte sich um vollkommene Gleichmut. »Wir verlieren jedes Jahr Läufer aufgrund von Sauerstoffentzug, Mr.. Coburn. Das ist eines der Risiken, denen wir uns alle stellen müssen, wenn wir die Kuppel verlassen.«
»Sie kennen Jane nicht«, sagte er. »Sie ist vorsichtig. Sie kennt bei allem die Grenzen. Das ist eines ihrer Hobbys. Sie weiß genau, wie weit sie gehen kann und mit welchen Folgen sie wobei zu rechnen hat.«
»Wir machen alle Fehler, Mr.. Coburn.«
Er schüttelte den Kopf. »Jane hätte so einen Fehler nicht machen können, nicht mit diesem Anzug. Verstehen Sie denn nicht? Wir haben von allem nur das Beste. Sie hat den besten Umweltanzug benutzt, der überhaupt gefertigt wird. Und ich auch. Die Systeme dieser Anzüge sind gleich mehrfach abgesichert, vollgestopft mit Sicherheitseinrichtungen. Die Sauerstoffversorgung kann nicht versagen.«
»Kein Anzug ist perfekt«, entgegnete DeRicci.
»Nein, auch dieser hat seine Nachteile. Extreme Kälte, Nässe. Und die Anzüge werden spröde, wenn sie zu lange benutzt werden. Aber ihr Anzug war neu, und wir wussten, dass wir an einem Mondtag laufen würden, mit einer heißen Umgebung, nicht mit einer kalten.«
»Sie ist nicht durch extreme Temperaturen umgekommen«, wandte DeRicci ein. »Sie ist an Sauerstoffentzug gestorben.«
»Und das ist es, was ich Ihnen zu sagen versuche.« Er schlug mit der Hand auf den Tisch, stand auf und wandte sich mit jener mühelosen Grazie ab, die DeRicci schon zuvor aufgefallen war. »Das ist nicht möglich.«
»Warum nicht?« DeRicci rührte sich nicht von ihrem Stuhl. Sollte er ruhig herumlaufen, solange er es nötig hatte, sollte er nur seine Unruhe abarbeiten. Sie würde seinen Felsen spielen, würde sein Kraftquell und sein Beichtvater sein. Auf diese Weise würde sie umso mehr aus ihm herausbekommen.
»Weil ich die Sauerstoffsysteme jedes Anzugs überprüfe, den wir kaufen. Ich habe zu viele Leute auf diese Weise sterben sehen, oder beinahe sterben …«
DeRicci stolperte über die Korrektur. Das könnte sich noch als interessant erweisen.
»… und ich habe mir geschworen, dass so etwas nie wieder irgendjemandem passieren wird, den ich kenne. Einige der Anzüge haben störanfällige Sauerstoffsysteme. Ein falscher Schritt kann die Versorgung unterbrechen. Oder die Flüssigkeitskontrolle funktioniert nicht korrekt. Die Flüssigkeit staut sich und gerät in den Sauerstoffvorrat. Schlechte Kohlendioxidfilter, was immer Sie wollen, ich habe es gesehen. Und diese Anzüge, die sind in zwei Punkten die besten, die es gibt: Sauerstoffversorgung und Flüssigkeitskontrolle. Und das ist alles, was man bei einem Marathon braucht. Das und eine Temperaturregulierung, die in diesen Anzügen auch
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