Miles Flint 03 - Die Tödlichen
jedes Mal, wenn er aufs Wasser hinausblickte, faszinierte ihn dieser Horizont aufs Neue.
Flint hatte die Möglichkeit, über Landstraßen zu fahren, eine Fortbewegungsart, die er in Armstrong nur auf Kurzstrecken genutzt hatte, oder einen Luftwagen zu nehmen. Er nahm den Luftwagen, aber nur, weil die Straßen mies aussahen, unebenmäßig, so, als könnte das Material, aus dem ihre Decke bestand, kaum den Wetterschwankungen standhalten.
Der Wagen suchte sich seinen Weg, nachdem Flint den Zielort eingegeben hatte. Eine virtuelle Karte informierte ihn darüber, dass er mittig über Florida und über den Süden Mississippis nach Louisiana fliegen würde. Flint hatte vor, die Ergebnisse seiner Nachforschungen während des Flugs noch einmal zu überprüfen, aber oft ertappte er sich dabei, wie er aus dem Fenster starrte und den Anblick förmlich in sich aufsog.
Manchmal waren die Reflexionen auf dem Wasser so grell, dass seine Augen schmerzten. Immerhin war er dieses Mal klug genug gewesen, sich eine Sonnenbrille zu kaufen; seine Mondaugen waren nicht an die wechselnden Lichtverhältnisse und die Intensität gewöhnt, mit der das Licht durch die dichte Atmosphäre drang.
Und auch die Hitze war ungewohnt. Selbst unter dem Einfluss des Umweltsystems im Luftwagen spürte Flint die Feuchtigkeit. Die Kontrollbeamtin im Hafen, die sämtliche Daten noch einmal überprüfte, wann immer ein Reisender vor ihrem Schreibtisch auftauchte, hatte ihm gesagt, er wäre vermutlich besser beraten gewesen, im Winter herzukommen.
»Die Leute vom Mond scheinen unseren Sommer nicht zu mögen«, sagte sie, als betrachte sie das als persönliche Kränkung.
Die Leute vom Mond mussten keine Jahreszeiten über sich ergehen lassen. Nur wechselndes Licht und ein paar kleine Temperaturschwankungen, auf die die Kuppeln der Abwechslung zuliebe programmiert worden waren.
Wenigstens New Orleans war Flint ein bisschen vertraut, da er bereits während seiner Suche nach Carolyn einige Tage hier verbracht hatte. Die Stadt breitete sich in einer von Wasser umgebenen Senke aus. Sie lag niedriger als der Wasserspiegel, was Flint zunächst überhaupt nicht seltsam erschienen war, bis jemand ihm erklärt hatte, was eine Überschwemmung anrichten konnte – ein Phänomen, von dem er nur gelesen, das er aber nie beobachtet hatte.
Flint hatte keine Ahnung, ob die Stadt irgendeinen Reiz besaß – die Leute sagten, sie täte es, aber er hätte sie schon aufgrund ihres Alters als reizvoll empfunden. Er war noch nie an einem so alten Ort gewesen, einem Ort, an dem die meisten Gebäude schon seit vielen Jahrhunderten standen, so vielen Jahrhunderten, dass er keinerlei Vorstellung von der Zeit hatte, in der sie erbaut worden waren.
Die Stadt besaß auch einen ganz eigenen Geruch – eine Mischung aus Moder und Alkohol –, einen Geruch, der ihm irgendwie leichter vorkam, als er sollte, bis ihm schließlich klar geworden war, dass es keine Kuppel gab, die ihn hätte festhalten können, und keine ineffizienten Luftfilter, die vergeblich danach trachteten, die Gerüche auszufiltern.
Mit dem Luftwagen landete Flint auf einem speziellen Landeplatz am Rand des French Quarter. Dieses Stadtviertel war schon Jahrhunderte, bevor Neil Armstrong auf dem Mond gelandet war, berühmt gewesen. Als Flint das erste Mal hier gewesen war, hatte er sich zwingen müssen, nicht an jedem einzelnen der kleinen Schilder innezuhalten, die an jedem Haus angebracht waren und das Baujahr des jeweiligen Gebäudes verrieten, und stattdessen den Straßenschildern zu folgen, bis er Carolyns Bar gefunden hatte.
Nun ging er nicht mehr gar so neugierig durch die Straßen, hielt aber immer noch die Augen offen.
Das French Quarter hatte wieder einen eigenen Geruch – Pferdemist (hier gab es immer noch Pferdekutschen für die Touristen), vermengt mit dem frischen, teigigen Geruch von Obstkrapfen und einem Hauch Bier, der aus jeder einzelnen offenen Tür hervorzuquellen schien.
Die Häuser des French Quarters kauerten häufig hinter schmiedeeisernen Geländern, doch vor allem war dieses Viertel die Heimat kurioser kleiner Läden, Restaurants und dunkler, wohlriechender Bars, die mit einer Sündhaftigkeit lockten, welche so alt schien wie die Stadt selbst.
Carolyns Bar war eine von ihnen. Vorn befand sich ein Mahagonitresen, hinter dem sich diverse Flaschen mit Spirituosen stapelten, ganz so, wie Flint es in den alten 2-D-Videos gesehen hatte. Der Tresen war auf Hochglanz poliert und mit einem
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