Miles Flint 03 - Die Tödlichen
ließe sie sich davon einlullen.
Also schaute Anatolya nicht in die gleiche Richtung wie Collier. Sie beobachtete den ganzen Korridor und stand mit dem Rücken an der Wand. Und sie achtete darauf, stets ein wenig auszuweichen, sollte sich jemand zu dicht neben sie stellen.
Sie schützte sich, so gut sie nur konnte.
Collier fiel das nicht einmal auf. Geborgener kleiner Mann – er war offensichtlich allem und jedem gegenüber vollkommen ahnungslos, das irgendwie mit Gefahr verbunden war. Hätte Anatolya so etwas geplant – und hätte sie eine Person in ihrer Position tot sehen wollen –, so hätte sie einen Lakaien wie Collier geschickt, für den Fall, dass er im Kreuzfeuer zu Tode käme.
Links von ihr beschrieb der Korridor eine leichte Biegung, hinter der die Leute von ihrem Standpunkt aus nicht zu sehen waren. Sie wünschte, Collier hätte näher an dieser Biegung Position bezogen, sodass sie jede Person, die hinter ihr zum Vorschein kam, schon im Vorfeld hätte sehen können, aber das hatte er nicht.
Und sie wollte ihre Nervosität nicht offenbaren, indem sie sich von ihm entfernte, um näher an den Ausgang zu kommen.
»Sie sind da«, sagte er.
Nun drehte Anatolya sich doch langsam um und musterte alle Leute, die vor ihr vorbeigingen, ehe sie schließlich nach rechts blickte. Ihre Leute kamen mit großen Schritten auf sie zu, die Hände locker an den Seiten.
Ihr Stellvertreter, Gianni Czogloz, ging wie stets voran, als hätte er nichts zu fürchten. Er war ein großer Mann mit einem dichten Schopf silbernen Haares auf dem Kopf. Vor Jahren war er der Erste gewesen, der die neuen Modifikationen hatte vornehmen lassen, und nun verliehen ihm die Muskeln eine teigige Erscheinung, fast als wäre er nicht aus Fleisch und Blut.
Doch seine Bewegungen waren geschmeidig und elegant, sein vernarbtes Gesicht vertraut und beruhigend. Die Erleichterung, die Anatolya schon im Restaurant verspürt hatte, wurde stärker, und genau aus diesem Grund behielt sie auch ihre Position bei, nicht gewillt, auf ihn zuzugehen.
Gianni nickte ihr zu.
Der Rest des Teams – sechs Frauen und zwei Männer – folgte ihm auf den Fersen. Das Team war von Hafenbeamten und anderen, Anatolya unbekannten Personen umgeben.
»Schicken Sie die Hilfskräfte weg«, sagte Anatolya zu Collier.
»Was?« Erschrocken sah er sie an. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie etwas sagen könnte.
»Die Leute, die mein Team flankieren«, sagte sie. »Schicken Sie sie weg.«
»Das kann ich nicht«, erwiderte er. »Ich bin ihnen gegenüber nicht weisungsbefugt.«
»Dann sorge ich dafür, dass sie verschwinden.« Sie trat einen Schritt voran und hoffte, das würde genügen. Sie wollte ihre Position in der Nähe der Wand nicht aufgeben.
»Warten Sie«, sagte Collier und hielt sie am Arm fest. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Anatolya nickte und lehnte sich wieder an die Wand. Collier schürzte die Lippen, als hätte er auf etwas Saures gebissen. Es war unverkennbar, dass er auf seine Links zugriff.
Nacheinander blieben die Hafenbediensteten stehen. Jeder einzelne von ihnen sah verwirrt aus. Derweil setzten Anatolyas Leute ihren Weg fort.
Gianni blieb direkt vor ihr stehen und ergriff ihre beiden Hände mit den seinen. »Anatolya«, sagte er leise.
Ihre Augen brannten. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie panisch sie gewesen war. Seltsam, dass sie auf Etae so stark sein konnte und sich hier doch so schwach fühlte.
»Haben sie dich gut behandelt?«, fragte Gianni.
»Kommt darauf an, wie du das definierst«, antwortete sie. »Ich habe mich wie eine Gefangene gefühlt und gedacht, ich würde euch nie wiedersehen.«
Collier warf ihr einen wütenden Blick zu. Offenbar war er zu der Erkenntnis gelangt, dass er seine Gefühle nicht länger verbergen musste.
»Aber sie haben mir zu essen gegeben und mich in einem netten Quartier untergebracht«, fügte Anatolya hinzu, als hätte sie seine Reaktion gar nicht bemerkt.
Gianni nickte. »Wir werden dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt.«
Colliers Kinn ruckte hoch, und Anatolya fühlte seine aufkeimende Furcht mehr, als dass sie sie ihm hätte ansehen können. Doch sie sah ihm an, dass er seine Möglichkeiten überdachte und sich fragte, ob es richtig gewesen war, ihre Leute frei durch Armstrong spazieren zu lassen.
Sollte er nur zweifeln. Anatolya brauchte ihre Leute; sie verliehen ihr Kraft.
»Geht es dir gut?«, fragte sie Gianni, meinte aber ebenso die anderen acht
Weitere Kostenlose Bücher