Miles Flint 04 - Das Marsgrab
anderen, was man in einer Gerichtsmedizin an Hilfsmitteln benutzte, in der Nähe der ersten drei Autopsietische.
Ihre Assistenten hatten nichts dem Zufall überlassen. Zwar fertigten sie visuelle Aufzeichnungen aller Autopsien an, doch bestand immer die Gefahr einer Fehlfunktion der Aufzeichnungsgeräte. Mit den Tafeln hatten die Assistenten für zusätzliche Sicherheit gesorgt.
»Ich weiß nicht so recht, was wir eigentlich tun sollen«, meinte Nigel nun zu seiner Vorgesetzten. Er sah klein und verloren aus, wie er da so an einer Arbeitsplatte lehnte. Bei seiner Praktikantentätigkeit hatte er bereits Probleme mit gewöhnlichen Routinefällen gehabt, und dieser Tag würde in Kürze alles andere als die gewöhnliche Routine zu bieten haben.
»Wir tun einfach unsere Arbeit«, erwiderte Scott-Olson.
Nigel nickte in Richtung eines der Wandschirme. »Gerade hat jemand gesagt, am Ostausgang der Kuppel habe es mindestens zweihundert Tote gegeben.«
»Und das waren nur die Todesfälle unter Menschen«, fügte Mona Browning hinzu. Sie war Scott-Olsons erfahrenste Mitarbeiterin. Scott-Olson verließ sich darauf, dass sie die Ruhe bewahrte und ihre Kollegen bei der Stange hielte. »Wir wissen nicht, wie viele Disty betroffen sind.«
»Ich meine, wir sollten uns zuerst um die Menschen kümmern«, sagte Evan Shirkov. Er hatte sich stets gut im Griff, übersah aber manchmal die zwischenmenschlichen Aspekte seiner Arbeit.
»Wie soll das funktionieren, Evan?«, fragte Scott-Olson.
»Wenn diese Leichen wirklich zertrampelt worden sind, werden wir nicht einmal imstande sein festzustellen, wo die eine aufhört und die nächste anfängt.«
Nigel verzog das Gesicht. »Vielleicht sollten wir gar keine Autopsien durchführen. Vielleicht sollten wir nur die Namen und die Identifikationsmerkmale aufnehmen und die Leichen liegen lassen, bis wir wissen, was weiter passieren soll.«
Scott-Olson starrte ihn an, und Nigels Wangen röteten sich.
»Was?«, fragte er nach einem Augenblick. »Wäre es nicht zweckmäßig, so vorzugehen? Ich meine, am Ende interessiert sich vielleicht niemand dafür, was wir hier tun.«
Das ganze Team sah Scott-Olson an. Offenbar wollte niemand auf seine Worte eingehen. Und sie auch nicht.
»Die Möglichkeit besteht«, sagte sie schließlich. »Aber was ist, wenn alle an etwas sterben, das wir nicht sehen können? Ein Toxin in der Luft, etwas, das die Disty in den Wahnsinn treibt? Was, wenn wir es bei unseren Tests und Scans finden? Wir könnten imstande sein, etwas Nützliches zu tun, womöglich sogar, die ganze Sache zu beenden.«
»Sie glauben doch nicht, dass so etwas dahintersteckt?«, fragte Nigel mit einer vagen Andeutung von Hoffnung in der Stimme.
Scott-Olson schüttelte den Kopf. »Ich bin ziemlich sicher: Wir wissen bereits, was das alles verursacht. Aber wir haben uns auch früher schon geirrt. Ich versuche einfach, keine Möglichkeit aus den Augen zu verlieren.«
Und damit kehrte sie zurück in ihr Büro, vorwiegend, um der Debatte ein Ende zu setzen. Eines der Fenster auf ihrem Schreibtischmonitor blinkte. Sie berührte es. Das System hatte soeben ein Memorandum von Allard da Ponte entdeckt. Da Ponte war vor kurzem gestorben, und das von ihm verfasste Memorandum war nach seinem Tode von seiner Familie veröffentlicht worden. Er hatte in den Randkolonien gelebt.
Scott-Olson sank auf ihren Stuhl und fing schon an zu lesen, ehe sie richtig saß. Da Ponte hatte das Massaker überlebt. Er war damals vier Jahre alt gewesen.
Und der Bericht, den er hinterlassen hatte, war so beängstigend wie all der Schrecken, den Scott-Olson an diesem Tag schon hatte mit ansehen müssen.
40
K i Bowles hatten die ersten Berichte erreicht, bevor sie den Tycho-Trichter verlassen hatte. Aber die Lage wirklich begriffen hatte sie erst, als sie in die Büros von InterDome in Armstrong zurückgekehrt war. InterDome besaß eines der größten Gebäude der Stadt, der Komplex breitete sich über zwei ganze Blocks aus.
Da Bowles eine der bekanntesten Reporterinnen bei InterDome war und dem Unternehmen schon lange angehörte, hatte sie Zutritt zu jedem Bereich des Komplexes. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug aus dem Tycho-Trichter gerade erst zurückgekehrt, hastete sie sofort in den Live-Feed-Überwachungsraum von InterDome.
Der Überwachungsraum hatte keine Fenster. Die Wände bestanden aus Bildschirmen, aber es waren andere Bildschirme als die, die man in einem gewöhnlichen Gebäude vorfand. Diese Schirme
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