Miles Flint 04 - Das Marsgrab
einem kleinen, verwinkelten Tisch mit einem Dutzend glitzernder Chips, deren Entwurf mehr der Optik als dem praktischen Nutzen diente. In dem Raum war es dunkel und viel zu heiß. Die Wandschirme um Bowles herum verströmten tatsächlich ein bisschen Hitze.
Ling hatte an die Story geglaubt, aber er hatte ihr keine der modernen Übertragungskabinen zugestanden. Ihm musste sie also immer noch eine Menge beweisen.
Und das würde sie auch tun! Sie ließ die Story immer noch auf einem Dutzend verschiedener Ebenen laufen und verfolgte jede Richtung, die ihr in den Sinn kam. Sie hatte ein paar Reporter, die sich um den Armstrong-Teil der Geschichte und um den Hafen kümmerten. Aber ihr großer Streich war die Zufallsbekanntschaft zu zwei Freiberuflern, die sich an sie gewandt hatten, weil ihr Name der einzige war, den sie kannten.
Die Freiberufler hatten es geschafft, ein Schiff aus dem Hafen von Armstrong zu fliegen, ehe er geschlossen worden war, obgleich die Freiberufler behaupteten, der Hafen sei nur für anfliegende Schiffe gesperrt; der Abflug sei demnach noch jederzeit möglich. Darüber berichtete Bowles nicht. Sie hatte niemandem davon erzählt, weil sie fürchtete, man könne ihr ihre Idee stehlen.
Nun ja, eigentlich ging es um die Idee der freien Reporter. Sie hatten das Schiff mit Aufzeichnungsgeräten vollgestopft und aus dem gesperrten Mondorbit hinausgeflogen. Dort draußen führten sie Interviews mit Disty-Schiffen, die abgewiesen worden waren, und sammelten Bildmaterial von den zur Umkehr gezwungenen Schiffen.
Wenn alles so liefe, wie Bowles und die beiden Freien es sich vorstellten, dann würden sie außerdem internes Bildmaterial von den Schiffen erhalten, von Angesicht zu Angesicht mit dem jeweiligen Disty, das den Captain für eines der abgewiesenen Schiffe spielte.
Die persönliche Note war unwahrscheinlich wichtig bei einer Reportage wie dieser. Den meisten Leuten war gar nicht bewusst, dass auf diesen Schiffen Dutzende lebender Wesen festsaßen. Niemand schien zu begreifen, dass diese kleinen Nadelstiche aus Licht über dem Hafen der Saharakuppel verrieten, dass die Disty mit alarmierender Geschwindigkeit starben.
Bowles war erschrocken über DeRiccis Anordnung, die Häfen zu schließen. DeRiccis Handlungsweise bestätigte nur die Engstirnigkeit dieser Frau. Offensichtlich wollte sie nicht mehr Disty hier haben, auch wenn das Tausende von ihnen das Leben kostete.
Bowles war nicht sicher, ob Ling ihr diesen Teil der Story wirklich abgenommen hatte, bevor DeRicci den Beweis selbst geliefert hatte, als sie das Schließen der Häfen durchsetzte. Ling hatte sicher den Verdacht gehegt, DeRiccis ehemaliger Partner habe all diese Dinge nur erzählt, weil er eifersüchtig sei oder sich von unangebrachtem Hass habe leiten lassen.
Noelle DeRicci war eine populäre Figur des öffentlichen Lebens, und Ling war ganz offensichtlich der Ansicht gewesen, man sollte sie lieber mit Samthandschuhen anfassen.
Bis jetzt.
Bis die Hafenbehörde begonnen hatte, DeRiccis Befugnis, den Einflug in den Mondorbit zu beschränken und die Häfen zu schließen, öffentlich in Frage zu stellen. Und dann waren da noch die kleinen Protestnoten der verschiedenen Zuglinien, die sich ebenfalls gegen DeRicci richteten. Diese wollten ebenfalls bestätigt wissen, ob DeRicci wirklich berechtigt sei, zu fordern, dass kein Disty von einer Kuppel zur anderen transportiert werden dürfe, es sei denn, er könne nachweisen, dass er während der vergangenen Woche den Mond nicht verlassen habe.
Auch andere Niederlassungen von InterDome überall auf dem Mond erhielten derartige Meldungen, vorwiegend, weil niemand genau wusste, welche Befugnisse DeRicci hatte. Anscheinend hatten ein paar Hafenverwaltungen versucht, sich der Anordnung zu widersetzen, worauf man sie darüber informiert hatte, sie würden gegen das Gesetz, verstoßen.
Bowles hatte einen Volontär beauftragt herauszufinden, um welches Gesetz es gehe. Es gab immer noch nur sehr wenige Gesetze, die für den ganzen Mond galten. Im Grunde war jede Kuppel allein für ihren Hafen und ihre Transportsysteme verantwortlich, und jede Kuppel kümmerte sich eigenständig um das Wohl ihrer Bürger.
Es herrschte Chaos, und Bowles genoss es.
Mit einer Ausnahme.
Es war relativ einfach gewesen, mit der abstrakten Vorstellung sterbender Disty umzugehen, solange die Krise auf den Mars beschränkt war. Von da an hatte sich Bowles jedoch lediglich auf eine Flüchtlings-Story vorbereitet,
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