Miles Flint 04 - Das Marsgrab
fragte er sich, ob irgendjemand schon die ganze Zeit gewusst haben könnte, dass dergleichen die Disty wahnsinnig machen würde.
Jefferson beschloss zu glauben und verkündete das auch, dass das Massengrab nicht mit der kulturübergreifenden Politik in Verbindung stehe und vermutlich viel mehr mit der langen menschlichen Geschichte der Gewalt gegen die eigene Art zu tun habe.
Sechsundfünfzig gab zu, dass auch das möglich sei, und endlich bewegten sich die Verhandlungen auf einer freundlicheren Ebene. Das war nun eine halbe Stunde her, und was zunächst wie ein echter Durchbruch erschienen war, schien nun zum einzigen Durchbruch zu werden, den es bei dieser Verhandlung geben würde.
Und dann kam die Nachricht herein, dass der Mond beschlossen habe – einseitig, wohlgemerkt – sämtliche Häfen und den Mondorbit für anfliegende Schiffe zu sperren.
Jefferson setzte sich ruckartig gerade hin und hätte beinahe einen schlimmen Fauxpas begangen. Einen sehr schlimmen, hätte Sechsundfünfzig etwas davon bemerkt, aber das hatte er nicht. Auch er stierte in weite Ferne.
Er hatte die Nachricht auch erhalten.
Jefferson schickte ein halbes Dutzend Botschaften an verschiedene Adressaten und verlangte zu erfahren, warum er über diese Sache nicht informiert worden sei, ehe die Medien Wind davon bekommen hätten. Jede Botschaft beendete er mit den Worten: Das hat vermutlich meine Verhandlungen mit den Disty ruiniert, und damit war er nicht weit von der Wahrheit entfernt.
Wenn die Disty die Menschen für unkooperativ erklären wollten, dann war jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.
Sechsundfünfzig richtete seine schimmernden Augen auf Jefferson. »Also war diese ganze Zusammenkunft«, sagte Sechsundfünfzig in seiner eigenen Sprache, »nur ein Trick, um Ihre Verlogenheit in Hinblick auf die Situation auf dem Mond zu verschleiern.«
In einem normalen Treffen hätte Jefferson getan, als wisse er von nichts. Aber die Schließung der Mondhäfen war bereits in den Nachrichten, und Sechsundfünfzig wusste, dass Jefferson die Meldungen verfolgte, die ihm seine Links lieferten. Sie hatten bereits zu Beginn dieser Zusammenkunft vereinbart, dass offene Kanäle in Ordnung seien, soweit die diplomatischen Gepflogenheiten beachtet würden.
Jefferson war die Wahrheit nicht gewöhnt. Sie zu erzählen machte ihn noch nervöser als zu lügen.
»Nein«, sagte Jefferson. »Ich habe auch gerade erst davon erfahren. Ich kann Ihnen eine Kopie der Nachricht schicken, die ich gerade an Dutzende meiner Kollegen versandt habe.«
Abgesehen von dem letzten Satz natürlich.
»Ich bin in gutem Glauben gekommen«, fuhr Jefferson fort. »Ich weiß wirklich nicht, was da los ist.«
Sein Disty war schlecht, aber er schien sich durchaus verständlich machen zu können. Zu gern hätte er darum gebeten, zu Spanisch zurückzukehren oder zu Englisch oder zu beinahe jeder anderen Sprache, die er kannte, aber er tat es nicht. Im Augenblick war er in diesem Treffen schwer im Nachteil, und das wusste er sehr gut.
»Ja«, sagte Sechsundfünfzig, »schicken Sie mir das Memo!«
Jefferson gehorchte, und in der letzten Sekunde entschied er sich, auch den letzten Satz mitzuschicken. Sechsundfünfzig legte den Kopf schief, als er die Nachricht erhielt. Beim Lesen weiteten sich seine Augen kaum wahrnehmbar, Zeichen einer angenehmen Überraschung.
Sechsundfünfzig presste die Handflächen zusammen und führte dann seine Hände an sein Gesicht. Seine Zeigefinger berührten das kleine Näschen, die Daumen ruhten unter dem Kinn. Er starrte Jefferson an, als versuchte er, durch ihn hindurchzuschauen.
Jefferson begegnete seinem Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Manchmal waren Verhandlungen tatsächlich so einfach. Er war derjenige, der auf dünnem Eis stand. Er war derjenige, dem die eigenen Leute in den Rücken fielen.
Aber er starrte Sechsundfünfzig noch einen Moment länger an, bis dieser, zu seiner Überraschung, nickte.
»Ihre Leute auf dem Mond haben die richtige Entscheidung getroffen«, sagte Sechsundfünfzig auf Englisch. »Sie müssen die anderen Welten in diesem System informieren, dass auch sie keine Disty-Schiffe landen lassen dürfen.«
Jefferson war froh, dass Sechsundfünfzig Englisch gesprochen hatte, aber dennoch fürchtete er, er könnte ihn falsch verstanden haben. Jefferson konnte einfach nicht glauben, dass Sechsundfünfzig den Tod seiner eigenen Leute propagierte.
Er brauchte tatsächlich einen Moment, um sich zu überlegen, wie er
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