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Miles Flint 04 - Das Marsgrab

Miles Flint 04 - Das Marsgrab

Titel: Miles Flint 04 - Das Marsgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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darauf, selbst im Hafen durch Massen von Disty zu waten und sie zu fragen, wie sie mit dieser Situation, die ihr ganzes Leben veränderte, umzugehen gedächten.
    Sie hatte schon früher Flüchtlings-Storys bearbeitet. Derartige Reportagen vor Ort stellten stets eine emotionelle Belastung dar – Kinder, die verloren schienen, weil sie nie zuvor ihr Zuhause verlassen hatten, Erwachsene, die so verängstigt waren, dass sie kaum ein Wort herausbrachten, und Behördenvertreter, die nicht minder verängstigt erschienen, während sie herauszufinden suchten, was sie mit dem Zustrom anfangen sollten.
    Bowles hatte Zeltstädte gesehen. Sie hatte erlebt, wie furchtbar überfüllte Lager waren. Sie hatte als Volontärin unvergleichliche Gewalt in den Flüchtlingslagern auf Io mit angesehen. Aber sie hatte nie davon gehört, dass irgendeine Welt einseitig den Anflug auf sämtliche ihrer Häfen verweigert hatte. Leute in einem Gebiet sammeln, ja, das hatte sie erlebt. Flüchtlingsghettos, in denen es Probleme mit der Luft, dem Abwassersystem, der Hygiene und der Privatsphäre der Bewohner gab, auch das hatte sie gesehen.
    Aber Dutzende, vielleicht Hunderte dazu zu verdammen, im All zu sterben, ohne jede Möglichkeit, irgendwo zu landen? Das hatte sie noch nie erlebt.
    Sie wusste, die Erde würde sie nicht aufnehmen. Auf die Erde zu gelangen war schon seit Jahrhunderten recht schwierig. Die Disty mochten einen Flüchtlingsstatus gegenüber der Erde geltend machen, aber man würde ihn ihnen nicht zugestehen. Die Erde verweigerte oftmals sogar legitimen Reisenden den Aufenthalt auf dem Planeten, Menschen, die dort Verwandte hatten, Peyti mit Studentenvisa oder Rev mit einer Arbeitserlaubnis. Disty, die sich nicht oder nur ungenügend ausweisen konnten, deren einziger Besitz aus dem bestand, das sie noch aus ihren Häusern hatten schaffen können, hatten gewisslich keine Chance.
    Deswegen erfreute sich der Mond bei Außerirdischen und Wanderarbeitern so großer Beliebtheit, deswegen fanden die Monduniversitäten interstellare Anerkennung. Der Mond besaß keine so allumfassende Zentralregierung, die alberne einseitige Entscheidungen traf.
    Dass es jetzt eine solche Behörde gab, die zentral alles entscheiden durfte, die wie aus dem Nichts über die Einwohnerschaft gekommen war, verhieß nichts Gutes für die Mondkuppeln. All der Fortschritt, all die Toleranz, auf die der Mond so stolz gewesen war, hatte sich plötzlich in Luft aufgelöst.
    Auf Kosten Hunderter von Leben.
    Bowles würde darüber berichten. Aber sie sähe bestimmt nicht allzu genau hin, wenn es um diese Schiffe ginge. Und wenn das Bildmaterial der Freien einträfe, sähe sie sich die Gesichter der Disty nicht an, die außerhalb des gesperrten Mondorbits in der Falle saßen.
    Bowles wusste aus Erfahrung, dass die Toten sie nicht loslassen würden. Sie sah sie in ihren Träumen – die Leute, die sie nicht hatte retten können, die Leute, denen zu helfen, die auch nur anzurühren ihr Job ihr unmöglich gemacht hatte. Sie konnte berichten, aber sie durfte nicht selbst zu einem Teil der Story werden.
    Sie konnte sich auf die Geschichte konzentrieren und ihr eine bestimmte Richtung geben. Noelle DeRicci war der Dreh- und Angelpunkt ihrer Story, und es ging nicht nur um DeRiccis Unerfahrenheit, sondern auch um deren Ignoranz. Kombinierte man diese beiden Eigenschaften mit unbeschränkter Macht und der Bereitschaft, Gebrauch davon zu machen, so war das Ergebnis das, was nun jeder über seine Nachrichtenlinks erfahren konnte.
    Schiffe, die auf den Mondorbit zurasten. Schiffe, die nicht ankommen würden. Schiffe, die vielleicht dort, in der Leere des Alls, würden bleiben müssen, die darauf warteten, dass sich jemand ihrer erbarmte, oder von einem Ort zum nächsten zögen, bis ihr Treibstoff erschöpft wäre.
    Die Insassen würden nichts anderes tun können als warten. Sie würden darauf warten, zu landen oder einen schrecklichen Tod zu erleiden, heimatlos in der Finsternis des Alls.

 
45
     
    E ndlich hatte Flint mehrere Enklaven von Überlebenden gefunden, die in das Solarsystem zurückgekehrt waren und offensichtlich versuchten, ihrer alten Heimat so nahe wie möglich zu kommen.
    Nach den Interviews, die er überflogen hatte, den Botschaften, die es irgendwie in öffentliche Datenbanken geschafft hatten, den Videoblogs, die eine Hand voll der jüngeren angelegt hatten, hofften die Überlebenden, dass sich hier niemand an das Massaker erinnere und sie vielleicht eine Chance

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