Miles Flint 04 - Das Marsgrab
einen kollektiven Geist, keine Gruppe aus Individuen.
»Wo sind unsere Passagiere?«, fragte das Anführer-Disty.
Flint konnte die Geschlechter der Disty nicht unterscheiden, und er war klug genug, nicht nach ihren Namen zu fragen. Aber er bat sie um eine Identifikation.
Sie lieferten sie ihm auf einer kleinen Tafel. Sie trug das Siegel des Oberkommandos der Disty. Als er das Siegel berührte, sah er Dutzende von offiziellen Aufzeichnungen, die alle die Menschen betrafen, die bis dato Flints Passagiere waren. Er sah sogar zwei Aufzeichnungen von DeRicci, in denen sie hoch und heilig schwor, dass die Menschen auf dem Schiff Überlebende des Massakers in der Saharakuppel seien.
»Danke«, sagte Flint. »Ich werde eine Kopie davon in meine Systeme laden müssen.«
»Bitte, tun Sie das«, erwiderte das Disty und lehnte sich, die Hände auf Taillenhöhe gefaltet, zurück. Seine Augen blitzten, als es Flint beobachtete.
Flint ging mit der Tafel nicht zum nächsten Computerinterface. Stattdessen drückte er einen Knöchel auf die Oberfläche der Tafel und lud die Daten in einen Chip an seiner linken Hand.
Der Chip war nicht mit seinen Systemen verbunden. Er zeichnete nur Daten auf. Flint lud die Informationen zur Sicherheit auch noch in einen weiteren Chip – auch dieser nicht mit dem System verbunden – und gab dem Disty die Tafel zurück.
»Ich führe Sie zu den Überlebenden«, sagte er.
62
D ie Nachrichtenmeldung verzögerte sich. Ki Bowles saß in ihrer Übertragungskabine und stierte die diversen Wandschirme an. Disty-Schiffe hielten sich immer noch außerhalb der Grenze des Mondorbits auf. Mondbasierte Schiffe aus Armstrong und auch ein paar aus anderen Hafenstädten säumten den Perimeter, als warteten sie auf einen Kampf.
Doch so ausweglos die Situation sich all die Stunden gezeigt hatte, es kam zu keinem Kampf. Das allein schon verblüffte Bowles. Sie nahm an, dass irgendetwas im Busch war, und jemand musste doch schließlich wissen, was vor sich ging!
Jemand war sicher gerade dabei, etwas auszuhandeln.
Die beiden freischaffenden Reporter in ihrem Schiff hatten nur sehr wenig Disty-Interviews sammeln können. Die Disty, die anfänglich Kontakt zu dem vagabundierenden Schiff aufgenommen hatten, weil sie es für ein offizielles Schiff der Menschen gehalten hatten, meldeten sich ab, sobald sie erkannten, dass sie sich geirrt hatten.
Das Bildmaterial war interessant. Einige der Disty-Schiffe waren so überfüllt, dass hinter dem Piloten ein halbes Dutzend anderer Disty erkennbar war. Und einige dieser Disty sahen ungewöhnlich klein aus – vermutlich Kinder. Ihrer aller Augen wirkten außergewöhnlich feucht, und ihre graue Gesichtsfarbe sah dunkler aus als üblich.
Also war es den Freien gelungen, der Krise ein persönliches Gesicht zu geben, genau wie die beiden es Bowles versprochen hatten. Aber ihr Zeitfenster für Interviews mit den Disty ließ ihnen nun nicht mehr als fünf Minuten.
Die beiden Freischaffenden waren begabt, denn ohne Talent für ihren Beruf wäre es ihnen nicht gelungen, die kurzen Kontakte zu den Disty-Schiffen zu längeren Berichten auszuwalzen.
Auch Bowles trug einen Teil dazu bei. Sie konzentrierte sich erfolgreich auf die Zahl der Todesopfer. Die Zahlen waren inoffiziell und menschenzentriert: zweihundert tote Menschen insgesamt, die meisten davon in Wells und in der Saharakuppel, wie es schien zumeist zu Tode getrampelt.
Die Anzahl der Todesopfer unter den Disty war erschreckend hoch und musste beständig nach oben korrigiert werden. Bowles sprach mit einer menschlichen Vertrauensperson der Disty, die auf dem Mars arbeitete, und erhielt eine inoffizielle Auskunft, derzufolge sich die Zahl der toten Disty auf dreitausend belief, nicht mitgerechnet die Toten, die noch in den Zügen lagen, und die, die es bei Schiffsexplosionen gegeben hatte.
Bowles konnte die Zahl nicht fassen, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, wie sie diese Masse von Opfern den Zuschauern begreiflich machen sollte, zumal ihr noch immer kein Bildmaterial vom Mars zur Verfügung stand.
Ihre Reportage ging ihrem Ende entgegen, und um alles noch schlimmer zu machen, unterschied diese sich kaum noch von der rivalisierender Reporter anderer Medienunternehmen. Die Story war inzwischen zum Allgemeingut geworden, was bedeutete, dass sie sie bald hinter sich lassen und sich anderen Dingen widmen musste.
Doch noch war da ja ein Punkt, den sie zwar nicht ganz, aber weitgehend aus dem Blick
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