Miles Flint 04 - Das Marsgrab
ruppig, taktlos und abweisend gewesen wäre wie dieser Mann! Sie hatte Leute getroffen, die sie nicht mochte, und Leute, die sie nicht mochten, und Leute, die sie nicht bei einem Fall dabeihaben wollten. Sie hatte sich sogar den Disty gestellt, die schon im Vorfeld beschlossen hatten, dass sie ihr Feind sei, und sie hatte sie, teilweise erfolgreich, dazu gebracht, ihr zuzuhören. Sie würde sich gewiss keinem zweitklassigen ›Spezialisten‹ geschlagen geben!
Sie versuchte es mit dem Türknauf, aber er drehte sich nicht. Sie drückte gegen die Tür, aber sie öffnete sich nicht.
Mistkerl!
Vermutlich gefiel es ihm nicht, wenn sie diese Diskussion von der Straße aus führte. Ihr gefiel es auch nicht.
Was hatte er gesagt? Die Tür offen stehen zu lassen würde die Informationen in seinen Datenbanken in Gefahr bringen? Wollte er etwa vorgeben, sich um Klienten zu sorgen, denen er gewiss ebenso unhöflich und brüsk begegnete? Oder lagen ihm mehr die Verschwundenen selbst am Herzen?
Vielleicht war das auch nur ein geschäftlicher Schachzug, der sie dazu bringen sollte, alles zu bezahlen, was er für seine Hilfe verlangte.
Sie trat einen Schritt zurück. Das würde sie nicht tun! Sie würde sich nicht austricksen lassen, um überhöhte Preise zu bezahlen. Nicht dass es ihr Geld wäre. Das war es nicht. Das Geld kam von der Saharakuppel – dem menschlichen Teil ihrer Bewohner. Der Preis war nicht von Bedeutung, jedenfalls nicht für sie, Costard. Aber hier ging es ums Prinzip!
Prinzipien.
Anscheinend war er darauf aus, sie glauben zu machen, er hätte Prinzipien. Schön. Auf dieses Spiel konnte sie sich einlassen, obwohl sie ihm nicht glaubte.
»Niemand kann zu Schaden kommen«, fuhr sie daher fort. »Die Verschwundene ist bereits tot.«
Wieder Stille. Sie wollte gerade aufgeben, als sie ein leises Klicken hörte. Die Tür schwang auf.
Er saß hinter diesem schäbigen kleinen Schreibtisch und sah in dem kalten Zimmer so fahl aus wie ein Geist. »Auf der Straße herumzubrüllen ist eine gute Möglichkeit dafür zu sorgen, dass jemand zu Schaden kommen kann.«
Sie trat ein, bereitete sich auf das zweifache dumpfe Geräusch vor, das sie beim letzten Mal gehört hatte, als ihre Links deaktiviert worden waren. Sie gehörte nicht zu den Leuten, die sich ständig mit irgendwelchen Informationen vollpumpen ließen, aber wie es schien, übertrugen die Links ein weißes Rauschen, das ihr bisher noch nie aufgefallen war.
Sie hatte es tatsächlich noch nie bemerkt.
Die Tür schloss sich hinter ihr. Unwillkürlich fing sie an zu zittern. In dem Zimmer war es unerträglich kalt.
Ihre Tasche rutschte und glitt von ihrer Schulter. Sie ließ das schwere Ding einfach auf den Boden fallen.
»Werden Sie mir jetzt zuhören?«, fragte sie.
»Wenn das die einzige Möglichkeit ist, Sie loszuwerden!«, entgegnete er.
Sie zögerte. Seine rüde Art hatte ihre Wirkung auf sie auch dieses Mal nicht verfehlt und ihren Zorn entfacht.
Sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich milder. Er beugte sich vor und sah erstmals interessiert aus.
»Fangen Sie an!«, forderte er sie auf. »Erzählen Sie mir, was los ist!«
Und das tat sie.
9
F lint achtete kaum auf ihre Leidensgeschichte: Wie ausgetrickst sie sich vorgekommen war, als sie zum Mars gereist sei; wie fremd ihr die Gebräuche der Disty seien; dass sie viermal so lang habe bleiben müssen, wie sie erwartet habe. Sie sprach mit einer Eindringlichkeit, die er bisher nie erlebt hatte, beinahe so, als wäre alles, was ihr widerfahren war, ein persönlicher Affront.
Offensichtlich hatte sie auch sein Verhalten als Affront aufgefasst. Sie schien ein recht scheues Ding zu sein; vielleicht war Zorn das einzige Gefühl, das sie dazu trieb, für sich selbst einzustehen. Ganz sicher brachte es etwas Farbe in diese vollen Wangen und verlieh ihrer so oder so schon tiefen Stimme ein noch reicheres Timbre.
Flint war entschlossen, keine Fragen zu stellen, ihr zuzuhören und sie dann aus seinem Büro zu schaffen. Wenn sie schon acht andere Lokalisierer aufgesucht hatte, hatte sie offenbar schon eine Weile vergeblich versucht, einen anzuheuern.
Allerdings würde er dieses Mal nicht Ignoranz als Begründung heranziehen, um ihren Fall abzulehnen. In ihrer jammervollen Litanei würde sich schon irgendetwas finden, was sich plausibel genug anhörte. Unhöflichkeit schien ihr jedenfalls den Rücken zu stärken; vielleicht würde sie auf freundliche Worte besser ansprechen.
Nach ein paar
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