Miles Flint 04 - Das Marsgrab
Minuten hielt er die Hand hoch. »Genug. Ich möchte etwas über den Fall erfahren. Der Hintergrund hat später noch Zeit.«
»Der Hintergrund ist wichtig.« Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, bat aber im Gegensatz zu anderenBesuchern nicht um einen Stuhl. Es war, als hätte sie das Fehlen eines Stuhles gar nicht bemerkt, weil sie so sehr darum bemüht war, ihn dazu zu bringen, dass er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte.
»Ich kann die Bedeutung des Hintergrunds nicht erfassen, wenn ich nicht weiß, wozu ich über ihn informiert werde«, entgegnete Flint.
Sie nickte und sagte: »Ich wurde zum Mars gerufen, um mir ein Skelett anzusehen, Mr. Flint. Leichen, die im Marsboden liegen, sollten mumifizieren, genauso wie sie es in der echten Sahara tun.«
»Das hört sich immer noch nach Hintergrundinformationen an, Ms Costard!«
Sie errötete. »Es sind keine.«
»Ich befasse mich mit Verschwundenen, Ms. Costard, nicht mit Skeletten. Sie haben eine Verschwundene erwähnt. Sie haben auch gesagt, sie wäre tot. Wenn Sie das wissen und wissen, wer sie ist, dann brauchen Sie keinen Lokalisierungsspezialisten. Vielleicht einen Detektiv oder sogar einen Anwalt, wenn es um den Besitz der Verstorbenen geht, aber …«
»Mein Skelett ist die Verschwundene!«, unterbrach Costard ihn wütend. »Sie wurde im Marsboden platziert wie ein Hinweis auf ein Verbrechen, das mir vollkommen unbekannt ist. Sie wurde an einem anderen Ort getötet, vermutlich erstochen, nach der Kerbe in einer ihrer Rippen zu urteilen, und dann hat wer immer sie umgebracht hat ihr die Haut abgezogen. Das war Vorsatz.«
Flint zuckte innerlich zusammen angesichts ihrer Beschreibung. Er hatte in seiner Zeit bei der Polizei viele gewaltsame Todesfälle erlebt, und allein der Ideenreichtum, der damit häufig einherging, hatte ihn stets zutiefst abgestoßen.
»Ihr richtiger Name war Lagrima Jørgen. Sie wird seit dreißig Jahren vermisst, und ich glaube, sie ist genauso lange tot.«
Flint zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, das zu hören, aber damit habe ich nichts zu tun. Sie haben die Leiche, kennen deren Namen und vermutlich etliche Informationen über das Leben, das die Frau geführt hat, ehe sie umgebracht wurde. Ich suche Menschen, Ms. Costard.«
»Ich weiß«, erwiderte sie. »Vielleicht habe ich mich in Bezug auf die Kopfgeldjäger geirrt, aber ich weiß, was Lokalisierungsspezialisten tun, Mr. Flint! Das weiß ich wirklich. Lagrima Jørgen hat eine Gruppe M’Kri-Stammesangehöriger wütend auf sich gemacht, indem sie deren Schürfrechte weiterverkauft hat. Sie hat die M’Kri dabei ausgetrickst, und als die Ingenieure der BiMela Corp eingetroffen sind, haben die Stammesangehörigen Lagrima wohl umgebracht. Der Rechtsstreit um die Schürfrechte ist vor dem Fünften Multikulturellen Tribunal gelandet, das zugunsten des Unternehmens befunden hat – was nicht verwunderlich ist, denn die Vertragsdokumente waren in Ordnung. Aber das Tribunal hat auch vermerkt, dass die Stammesangehörigen bereits ein Verfahren nach Stammesrecht gegen Jørgen angestrengt hätten, weil sie einen Sprachtypus benutzt habe, den sie im Zuge der Verhandlungen untersagt hätten. Die M’Kri haben damals trotzdem ihre Schürfrechte verloren, und zwar weil es ihnen nicht gelungen war, einen Allianzanwalt zu ihrem Schutz zu verpflichten – das ist schlicht Inkompetenz, und Inkompetenz ist nun einmal nicht ungesetzlich. Aber sie haben dennoch Wiedergutmachung nach ihren Gesetzen dafür gefordert, dass man sie um ihre Schürfrechte betrogen hat.«
Flint runzelte die Stirn. »Die M’Kri sind nicht dafür bekannt, inhuman gegen Leute vorzugehen, die ihre Gesetze übertreten.«
»Dieser spezielle Stamm stellt eine Subkultur dar. Er gehorcht anderen Gesetzen – was offensichtlich ein weiterer Grund dafür war, dass die M’Kri ihren Fall verloren haben. Die betroffene Gruppe stellte nicht die dominierende Kultur ihrerRegion.« Inzwischen hörte sie sich deutlich souveräner an als zuvor, sprach mit mehr Autorität.
»Und als Angehörige einer Subkultur steht es ihnen frei, zum Zweck der Wiedergutmachung im Falle eines Verbrechens zu töten?« Flint verstand nicht. Normalerweise – wenn auch nicht in jedem Fall – unterlagen die Subkulturen dennoch der Gesetzgebung der dominierenden Kultur.
»Die Stammesangehörigen töten nicht, Mr. Flint. Sie versklaven. Und das ist legal. Sie bezeichnen das als Nutzungsrecht, und die Strafe dauert so lange, wie die
Weitere Kostenlose Bücher