Miles Flint 04 - Das Marsgrab
zu machen. Natürlich hatten die Behörden ihn unterstützt und ihm diesen Auftrag zukommen lassen, so als wollten sie ihm ein Geschenk machen. Daraufhin hatte er allerlei fantastische Dinge entworfen, die Fremde, die geschäftlich nach Armstrong kämen, samt und sonders beeindrucken würden.
DeRicci hatte natürlich nichts von dem Projekt gewusst. Als die Leute an den Hebeln der Macht beschlossen hatten, eine Sicherheitsbehörde zu gründen, die für den ganzen Mond zuständig sein sollte, war sie nur ein gewöhnlicher Detective gewesen, der sich mit der Aufklärung von Mordfällen beschäftigt hatte.
Nachdem sie aufgestiegen und Chefin dieser neuen Sicherheitsbehörde geworden war, hatte sie erfahren, dass die Überlegungen in diese Richtung für sämtliche Behördenspitzen bereits ein alter Hut waren, dass man sich schon vor dem Mondmarathon zusammengesetzt und darüber ernsthaft gesprochen hatte. Bis dato hatte DeRicci die schnelle Abfolge der beiden Katastrophen, zuerst die beim Mondmarathon und dann denAnschlag auf die Kuppel, für den Auslöser gehalten, die neue Behörde zu schaffen. Sie hatte geglaubt, die Politiker hätten wegen der Ereignisse die Hosen voll gehabt.
Stattdessen hatten diese Katastrophen den Politikern lediglich die passende Begründung geliefert.
Das zu erfahren hatte DeRicci in ihrer Überzeugung bestärkt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Aufgabe erforderte jemanden, wie sie es war, jemanden, der selbst im Schützengraben gelegen hatte und trotzdem noch wusste, dass Regulierungen ebenso lähmen wie schützen konnten. DeRicci kannte alle Gefahren, und sie war fest entschlossen, sie abzuwehren.
Die frisch berufene Chefin der Sicherheitsbehörde konnte sich nur einfach nicht überwinden, hinter ihrem neuen Schreibtisch Platz zu nehmen. Ein Innenarchitekt, nicht minder kreativ als sein Kollege, der das ganze Gebäude entworfen hatte, war auf die Idee gekommen, dass transparente Möbel doch wunderbar zu den vollständig verglasten Wänden und der durchsichtigen Decke passen müssten. In die Stühle waren immerhin weiße Linien eingegossen, die dem Verlauf des Rahmens folgten – dünne weiße Linien, auf dass niemand auf einem Stuhl sitzen musste, der gar nicht da war. Selbiges galt dann auch noch für den Schreibtisch. Die übrigen Tische aber hatten keine solchen Umrisslinien und waren nur mit Hilfe der Gegenstände erkennbar, die auf ihnen platziert worden waren.
Der Architekt – oder eben das Genie von Innenarchitekt – hatte festgelegt, dieser Ort der Arbeit habe begrünt zu sein. Dafür kam selbstverständlich kein künstliches Grünzeug in Frage, wie DeRicci es als Detective in ihrem Büro gehabt hatte, sondern nur echte Pflanzen. Ein echter Pflanzenexperte musste daher Tag für Tag herkommen, die Pflanzen einnebeln, sie wässern und düngen, päppeln, als wären sie seine Kinder.
DeRicci war sich sicher: Kaum hätte sie das Gefühl, sich freigeschwommen zu haben, würde sie anordnen, diese ganzen Pflanzen aus ihrem Büro zu entfernen. Leider aber war sie sich ganz und gar nicht sicher, ob man ihr diese Bewegungsfreiheit je zugestehen würde. Im Augenblick jedenfalls schien selbst jeder ihrer Atemzüge einer eingehenden Prüfung unterzogen zu werden, jedes Zucken eines ihrer Finger, denn es hätte ja eine Anweisung für einen ihrer Untergebenen bedeuten können.
Aber eigentlich hatte DeRicci noch gar keine Untergebenen. Sie hatte noch niemanden auf Stellen innerhalb der neuen Behörde berufen. Die Leute, die derzeit das gesamte Personal stellten, gehörten nämlich alle einem Sicherheitsteam an, das zu ihrem Schutz abgestellt war. Im Augenblick wurden diese Leute alle von der Stadt Armstrong bezahlt. Niemand, nicht ein Rädchen in dem ganzen Bürokratiegetriebe, hatte bisher die erforderlichen logistischen Voraussetzungen geschaffen, damit die Vereinigten Mondkuppeln für irgendeinen Teil der anfallenden Kosten überhaupt aufkommen konnten.
Das, so hatte die Generalgouverneurin DeRicci versichert, würde während des nächsten Bienniums passieren – was zum Teufel das auch immer sein sollte!
Ein großes Büro, keine echten Mitarbeiter und nur eine vage Mission. Im Augenblick wusste DeRicci nicht einmal so recht, wie sie mit ihrer Arbeit anfangen sollte, ganz zu schweigen davon, welche Arbeit sie eigentlich tun sollte. Sie hatte natürlich gefragt, und jeder, den sie gefragt hatte, hatte ihr die gleiche Antwort gegeben: Es ist Ihre Aufgabe, den Mond sicherer
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