Miles Flint 04 - Das Marsgrab
wusste immerhin, dass sie selbst andere verdammt gut von oben herab behandeln konnte. Es gefiel ihr nicht, aber es hatte seinen Nutzen. Wie zum Beispiel gerade jetzt, denn jetzt wollte sie Popova einfach nur aus ihrem Büro vertreiben.
»Die Medien brauchen eine Stellungnahme«, erklärte Popova mit mehr als nur einem Hauch von Ärger in der Stimme.
»Sagen Sie ihnen, wir werden ihnen unsere Leute bis zum Ende des Monats vorstellen.« DeRicci hoffte, dass sich diese Behauptung nicht als Lüge entpuppen würde. Bei einem Bewerbungsverfahren, das den ganzen Mond einbezog, ging sie aber immerhin davon aus, dass die Bewerber zumindest qualifiziert sein würden.
»Nein.« Popovas Stimme troff vor Sarkasmus. »Sie wollen eine Stellungnahme zu dem Vergeltungsmord.«
Offensichtlich ein Punkt, von dem DeRicci hätte wissen sollen. Sie war in Versuchung, so zu tun, als hätte sie alles im Griff, aber als sie selbst noch in untergeordneter Position gearbeitet hatte, hatte sie Vorgesetzte, die getan hatten, als wüssten sie mehr, als sie tatsächlich gewusst hatten, stets für außerordentlich dumm gehalten.
»Welcher Vergeltungsmord?«, fragte DeRicci. Dann hielt sie eine Hand hoch. »Ich will keine Einzelheiten. Ich will wissen, warum die Medien sich an mich wenden und nicht an die Polizei.«
»Weil das Opfer eine bekannte Kriminelle ist, deren Identifikation mit so vielen Warnhinweisen ausgestattet war, dass man ihr den Zutritt zu Armstrong gar nicht erst hätte gestatten sollen. Die Medien wollen wissen, wie wir zulassen konnten, dass die Kuppel solch einer Bedrohung ausgesetzt wird.«
»Ach, verdammt noch mal!«, schimpfte DeRicci. »Hat denn immer noch keiner spitzgekriegt, dass wir keinerlei Vollzugsvollmachten haben? Wir haben überhaupt keine Vollmachten! Wir haben lediglich eine repräsentative Behörde, bis wir unsere verdammten Positionspapiere fertig haben und alle Bürgermeister, alle Stadträte und die gesamte Regierung der Vereinigten Mondkuppeln überzeugt haben, all dieses Zeug abzuzeichnen. Sagen Sie denen das!«
Popova kam ganz zur Tür herein und drückte sie hinter sich ins Schloss. »Nein, Sir.«
DeRicci zog die Brauen hoch. »Nein, Sir?«
Popova errötete, gab aber nicht nach. »Ich möchte, dass diese Behörde gute Arbeit leistet. Ich halte sie für wichtig. Wenn ich den gesamten mondbasierten Medien diese Antwort gebe, dann unterminiere ich alles, was wir hier zu erreichen versuchen.«
DeRicci seufzte und schüttelte leicht den Kopf. »In welcher Hinsicht war die Person kriminell? War sie nur irgendein Einfaltspinsel, der den Disty in die Quere gekommen ist, oder war sie eine Gefahr für jede Kuppel, die sie betreten hat? Und, da wir gerade dabei sind, war sie selbst auch Disty? Denn sie dürfen ihre Rachemorde hierher bringen. Das ist absolut legal, und zwar schon seit die Disty ein Teil der Allianz geworden sind.«
»Sie war menschlich«, erwiderte Popova. »Und ich meine, es ist an der Zeit, dass Sie sich des Themas annehmen. Soll ich eine Pressekonferenz in einer Stunde ansetzen?«
»Nein«, sagte DeRicci, vor allem, weil sie nicht wollte, dass Popova an ihrer Stelle die Entscheidung traf. »Ich werde mir die Sache ansehen und später entscheiden, ob ich mit der Presse spreche.«
»Wie Sie wünschen«, meinte Popova spitz und verließ das Büro wieder.
Natürlich hatte sie kein Wort über die Fallnummer oder die involvierten Beamten verloren. Sie hatte auch nicht angeboten, die Akte zu besorgen, und sie hatte nicht einmal versucht, DeRicci darüber aufzuklären, was eigentlich los war.
Nicht, dass DeRicci freiwillig darum gebeten hätte – jedenfalls nicht nach diesem kleinen Zusammenstoß.
DeRicci seufzte, drehte sich zu dem großen Hauptschirm an ihrer Wand um und ging die Neuigkeiten durch, die InterDome beständig einspeiste. Wenn die Medien einen Kommentar von DeRicci hören wollten, konnte der Vergeltungsmord noch nicht lange zurückliegen.
Es musste irgendeine Besonderheit geben, auch abgesehen von der kriminellen Vorgeschichte und der Verbindung zu den Disty – etwas, das so bedeutend war, dass die Story direkt zur Mondsicherheit führte.
DeRicci gefielen bereits da schon die mit diesem Fall einhergehenden Verwicklungen nicht, und dabei kannte sie die Fakten noch nicht einmal.
24
S o etwas hatte sie noch nie gesehen.
Sharyn Scott-Olson saß vor den überkuppelten Fenstern im obersten Stockwerk des Stanshut Government Office Building und schaute hinunter auf die
Weitere Kostenlose Bücher