Miles Flint 05 - Paloma
hinterlassen, damit sie erkennen konnte, dass er keine vertraulichen Daten angerührt hatte.
Inzwischen ließ er von dem aufwändigen Netzwerksystem, für das sie Zusatzgebühren entrichten musste, eine Suche nach Informationen über bixinische Attentate durchführen. Vor allem sollte das System nach Gemeinsamkeiten in den einzelnen Fällen suchen.
Er war sicher, welche zu finden. Und er hatte das Gefühl, er würde sie nach dem Tatort, den er heute Morgen gesehen hatte, wiedererkennen.
Dem Tatort von Palomas Ermordung.
49
N yquists Büro sah weniger einladend aus als noch vor einer Stunde. Das Licht des Bildschirms auf seinem Schreibtisch durchbrach die Dunkelheit, erhob sich über den Tisch und verlieh dem ganzen Raum einen unheimlichen Anstrich. Er hatte die Hauptbeleuchtung abgeschaltet, als er aufgebrochen war, um Ki Bowles aufzusuchen, aber er hatte den Computer nicht deaktiviert, weil er gewusst hatte, dass er, wenn er zurück wäre, die Überwachungsbänder weiter untersuchen musste.
Aber er war nicht davon überzeugt, dass sie ihm viel verraten würden.
Die Innenbeleuchtung schaltete sich träge ein, als er das Büro betrat. Er drückte die Tür zu, um ungestört zu sein. Er musste weitere Nachforschungen anstellen, und er musste nachdenken.
Diese unkoordinierte Herangehensweise brachte ihn schlicht nicht voran.
Er hatte sich gerade an seinen Schreibtisch gesetzt und angefangen, die Aufzeichnungen von dem Zeitpunkt an durchzusehen, an dem Bowles das Terminal verlassen hatte, als jemand an seine Tür klopfte.
»Was ist?«, fragte er in einem Ton, der dazu angetan war, jedermann von einem weiteren Pochen abzuschrecken.
Noelle DeRicci streckte den Kopf zu ihm herein. Und sie grinste ihn an. »Sie haben wohl nicht damit gerechnet, mich heute Abend noch einmal zu sehen, was?«
Er blinzelte und fragte sich, ob er eine Rückblende erlebte. Ihr gemeinsames Essen schien Tage her zu sein.
»Sollten Sie sich nicht brav zu Hause entspannen?«, fragte er in der Hoffnung, nicht gar zu barsch zu klingen.
Sie trat ein. Wie es schien, hatte sie seine Worte eher als Einladung aufgefasst. In der Hand hielt sie einen Beutel, der vage nach Brot roch. Sein Magen knurrte. Kaum zu glauben, dass er gedacht hatte, er würde nie wieder etwas essen können. Er hatte kaum ein paar Stunden seit der Explosion überstanden, und schon hatte sein Magen seine eigenen Vorstellungen entwickelt.
»Sie haben vorhin dermaßen kaputt ausgesehen«, sagte sie, »da dachte ich mir, ich sollte Ihnen einen kleinen Mitternachtssnack vorbeibringen.«
»Zu liebenswürdig«, sagte er.
Sie entnahm der Tüte zwei Tassen. Das köstliche Aroma kostspieligen Kaffees breitete sich im Zimmer aus und jagte ihm einen erwartungsvollen Schauder in die Eingeweide. Woher hatte sie nur gewusst, dass er gerade jetzt dringend einen echten Kaffee brauchte?
»Ich bin nicht liebenswürdig«, gab sie zurück. »Ich habe Neuigkeiten für Sie, die ich Ihnen persönlich mitteilen wollte, ehe ich brav nach Hause gehe und mich entspanne.«
In ihren Worten lag genug Biss, ihn erkennen zu lassen, dass sie seine Verbitterung wahrgenommen hatte. Erneut griff sie in die Tüte und zog ein paar Croissants hervor und etwas, das aussah wie echte Butter.
Ein Mitternachtssnack, genau, wie sie versprochen hatte. Allerdings ein ziemlich kostspieliger Mitternachtssnack. Ein kleines Stück vom Himmel. Und Gott wusste, wie sehr er das brauchte.
»Tut mir leid, wenn ich unhöflich war«, sagte er. »Es war einfach eine schlimme Nacht. Ich hätte nach dem Abendessen nach Hause gehen sollen.«
Sie lächelte und stellte das Essen auf Stoffservietten ab, die ebenfalls aus der Tüte stammten. Dann schob sie zwei Croissants zu ihm hinüber und reichte ihm ein Buttermesser.
»Sie arbeiten an einem Fall«, sagte sie, »an einem abscheulichen Fall. Und ich werde Ihnen gleich ein paar Antworten liefern und dabei neue Fragen aufwerfen.«
Sie stand noch, wartete aber offenbar darauf, dass er sie einlud, sich zu setzen. Er winkte ihr zu und deutete auf den anderen Stuhl im Zimmer.
»Was haben Sie für mich?«, fragte er.
Sie erzählte ihm von der bixinischen Regierung, von den Attentaten und der Bedeutung der Flüche. Sie erklärte ihm alles, was der Professor ihr erzählt hatte, und als sie fertig war, schickte er eine Botschaft an die Techniker, die Palomas Wohnung untersucht hatten. Er bat sie, nach Anzeichen für die Anwesenheit von Bixinern zu suchen, entweder über die
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