Miles Flint 05 - Paloma
wusste nicht, ob sie das auch wollte. Sie musste erst noch einige andere Dokumente durchsehen; sie musste herausfinden, was zu der Quarantäne geführt hatte und warum sie immer noch für ein Schiff in einer Art rechtlichem Schwebezustand galt.
Dann verkrampfte sich ihr Magen. Vielleicht war das gar nicht so außergewöhnlich. Vielleicht befand sich eine ganze Anzahl von Schiffen, die in unsicheren Gebieten wie Terminal 35 angedockt waren, in einem ähnlichen Schwebezustand.
Sie kehrte zur Hauptseite von Space Traffic zurück und gab die Abfrage Schiffe unter Quarantäne außerhalb Terminal 81 ein. Konsterniert lehnte sie sich zurück, als eine lange Liste über ihren Bildschirm lief.
Sie speicherte die Liste und lud sie in einen Speicherchip an ihrem rechten Daumen herunter. Dann stand sie auf, lud die Informationen in einen weiteren Zugangsknoten und löschte alle Hinweise auf Sicherheitswarnungen von ihrem sichersten Zugriffspunkt. Schließlich schickte sie die Liste an Rudra Popova.
Popova war de facto DeRiccis Assistentin gewesen, als sie Leiterin der Mondsicherheit geworden war, und sie waren beinahe augenblicklich in Streit geraten. Popova war der Ansicht gewesen, DeRicci sei für ihre Aufgabe nicht qualifiziert gewesen, und DeRicci hatte ihr in weiten Teilen zustimmen müssen.
Die Distykrise hatte Popova, wie viele andere auch, veranlasst, ihre Meinung über DeRicci zu ändern, und nun war Popova die Nummer zwei der Behörde und hatte einen echten Titel erhalten: Deputy Chief der Mondsicherheit. Sie musste immer noch in allen Belangen DeRiccis Zustimmung einholen, doch das schien sie nicht mehr zu stören. Und sie hatte sich bei mehr als einer Gelegenheit als wertvolle Mitarbeiterin erwiesen. Sie hatte sich auf Nachforschungen, Vorschriften und Verordnungen spezialisiert, und auf die hohe Kunst mondbasierter Diplomatie.
DeRiccis Tür ging auf. Popova streckte den Kopf herein. Ihr langes schwarzes Haar berührte den Boden, sodass sie aussah, als wäre sie in einem Pfuhl purer Schwärze am Boden verankert.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Ich war mit der Dienstanweisung noch nicht fertig«, sagte DeRicci. Sie konnte nicht mehr zählen, wie oft dergleichen zwischen ihnen vorgefallen war – sie schickte Popova den ersten Teil eines Arbeitsauftrags, und die Frau kam sofort in ihr Büro, statt den zweiten Teil der Botschaft abzuwarten.
»Dann los«, sagte Popova mit einem zornigen Blick aus schwarzen Augen. Sie war intelligent und ungeduldig, eine der besten Rechercheurinnen, die DeRicci je erlebt hatte, was, wie Popova einmal über einigen Drinks zugegeben hatte, zum Teil daran lag, dass sie angesichts ihrer extrem kurzen Aufmerksamkeitsspanne von einem Fakt zum nächsten hüpfte und Informationen sammelte, wie die Leute auf der alten Erde Münzen sammelten.
»Auf der Suche nach etwas anderem bin ich über eine Liste von Schiffen gestoßen, die unter Quarantäne stehen, aber nicht in Terminal 81 untergebracht sind«, sagte DeRicci.
Popova runzelte die Stirn. »Wenn sie nicht in Terminal 81 sind, wo dann?«
»Soweit ich es beurteilen kann, überall im Hafen verstreut. Darum habe ich Ihnen die Liste geschickt. Ich brauche Hintergrundinformationen über die Schiffe. Und ich brauche die gesetzlichen Bestimmungen, die dergleichen zulassen. Zumindest aber muss ich wissen, ob diese Art des Umgangs mit Schiffen unter Quarantäne üblicherweise gebilligt wird.«
Popova ließ die Tür los und trat ein. Sie faltete die Hände hinter dem Rücken, als wolle sie Habachtstellung einnehmen. »Ich hoffe zutiefst, dass dem nicht so ist.«
»Ich auch«, sagte DeRicci. Aber ihre Arbeit hatte sie während der letzten Monate gelehrt, dass in vielen Kuppeln die Dinge nicht in der Weise gehandhabt wurden, wie es Gesetzen und Vorschriften entsprechend hätte sein müssen. Eine ihrer Aufgaben als Sicherheitschefin bestand darin, potentielle Gefahren zu beseitigen, die allgemein üblichen Vorgehensweisen entsprangen. Vorgehensweisen, zu denen möglicherweise auch die im Fall der nicht ordnungsgemäß untergebrachten Schiffe zählte.
»Wie schlimm, meinen Sie, ist das?«, fragte Popova.
DeRicci zuckte mit den Schultern. Wozu sollte sie auch ihre kompetenteste Mitarbeiterin in Panik versetzen. »Viele dieserSchiffe stehen schon seit Jahren unter Quarantäne. Ich konnte häufig nicht einmal herausfinden, wer die Quarantäne angeordnet hat oder aus welchem Grund sie angeordnet wurde. Eines der Schiffe habe ich mir genauer
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